Newsletter aus Kenia/die Eli-Waisen im November 2007

Die Nursery-Waisen

Die beiden großen Jungs der Nursery, Zurura und Kamboyo, kamen in die Auswilderungsgruppe nach Ithumba. Es war an der Zeit für sie, denn sie brauchen die Disziplin der älteren Leitkühe und stärkere Bullen, gegen die sie sich beweisen müssen. Leitkuh Lenana war noch nicht durchsetzungsfähig genug, um sie unter Kontrolle zu bringen.

Als es daran ging zu üben, wie man auf die Laderampen der parkenden Lkws steigt, hatte Kamboyo offenbar finstere Assoziationen. Er wurde als neunmonatige Waise gerettet und zum Flugplatz des Kamboyo Hauptquartiers in Tsavo-West gebracht, von wo aus er auf dem Luftweg nach Nairobi befördert wurde. Nichts konnte ihn dazu bringen, auch nur einen Fuß in den Lkw zu setzen. Am Tag der Abfahrt bekam er also ein leichtes Beruhigungsmittel, und mithilfe vieler schiebender und ziehender Hände wurde er in den Lkw verfrachtet. Einmal auf der Ladefläche angekommen, ergab er sich seinem Schicksal und dem, was seine menschliche Familie für ihn vorbereitet hatte! Sein Vertrauen berührte uns sehr. Zurura war viel zu jung verwaist, als dass er sich noch an seinen Transport erinnern könnte, und weil er die angebotene Milch auf keinen Fall ausschlagen konnte, ließ er sich ohne Schwierigkeiten auf den Anhänger locken.

In Ithumba wurden die beiden sofort von Sian, Loijuk und Kenze erkannt, und die Wiedersehensfreude war riesig! Die drei waren erst vor einigen Monaten aus der Nursery nach Ithumba gebracht worden, und selbst Sunyei, Wendi, Kora, Naserian und Lualeni erinnerten sich an die beiden, als sie noch winzige Baby-Elefanten waren. Solche Vorgeschichten führen immer zu freudigen Begrüßungen und ausgiebigen Berührungsritualen durch die älteren Kühe, die die Neuankömmlinge in ihre Gruppe aufnehmen. Zurura und Kamboyo wurden in ihren neuen Stall geführt, den sie mit Loijuk und Sian teilen und fühlten sich gleich zu Hause.

Kenze,Loijok und Rapsu

In der Nursery dagegen wurden sie schmerzlich vermisst von Lenana, Mekena und Chyulu, die den ganzen Tag der Abfahrt nach ihnen suchten. Lenana war sichtlich gestresst durch das plötzliche Verschwinden der beiden. Makena und Chyulu widmeten sich kurze Zeit später wieder ihrer täglichen Routine, offenbar froh, dass die beiden Bullen verschwunden waren, denn Zurura und Makena waren lange Zeit Rivalen um den Platz neben der Leitkuh. Chyulu fühlte sich immer gestört durch die Bullen, die sie und Makena bestiegen, wann immer sich die Möglichkeit dazu bot. Leitkuh Lenana war noch nicht dominant genug, um diese – bei Elefanten durchaus üblichen – Jungenspiele zu unterbinden.

In diesem Monat gab es eine Art „Stall-Polonaise“ mit dem Baby-Trupp (Lesanju, Lempaute, Sinya, Shimba und Dida). Lempaute bestand darauf, nachts bei Lesanju zu bleiben, als diese neben Sinya verlegt wurde, die etwas Aufmerksamkeit nötiger hatte, und setzte sich schließlich durch. Wir bemerkten, dass Klein Dida sehr niedergedrückt war und schlossen darauf, dass dieses Verhalten damit zusammen hängen konnte, weil ihre Zuneigung zu Lesanju ständig durch Sinya und Lempaute ausgebremst wurde, die sie wegschubsten. Auf Zurückweisung reagieren Elefanten immer mit seelischen Störungen, also wurde Dida nachts aus Shimbas Stall umgesetzt zu Lesanju und Lempaute, so dass sie Ruhe vor Sinya hatte. Wir hofften außerdem, dass Lempaute vielleicht auch ein paar mütterliche Gefühle für das Baby entwickeln würde. Der Plan zahlte sich aus und innerhalb weniger Tage war das Baby viel glücklicher und begann zu spielen, was immer ein gutes Zeichen ist. Lempaute entwickelte in der Tat Muttergefühle und reagiert mittlerweile sehr umutig, wenn Dida ihr Lesanju vorzieht!

Dida und Lempaute

Sinyas fürchterliche Wunden auf dem Rücken und an den Vorderbeinen heilten in diesem Monat sehr gut. Dank Tonerde und ätherischen Ölen hat sie keine Schmerzen mehr. Durch sie konnten wir viel über verwundete Baby-Elefanten lernen, was uns auch später wieder helfen wird.

Die Ithumba-Waisen

Es ist immer wieder verblüffend, wie die Elefanten die Ankunft von Neuankömmlingen erahnen. Kamboyo und Zurura verließen Nairobi morgens um 5:30 Uhr, und zur selben Zeit verließen die Ithumba-Elefanten ihre Schlafplätze und die Big Girls, Leitkuh Yatta, Mulika, Nasalot und Kinna, begannen zu trompeten. Sie rannten hin und her, waren sichtlich aufgeregt und verhielten sich ungewöhnlich. Die Keeper selbst waren noch nicht einmal darüber informiert, dass Kamboyo und Zurura erfolgreich verladen und auf dem Weg nach Ithumba waren! Sie erreichte die Nachricht erst gegen 8 Uhr – also ein weiteres Indiz für die erstaunliche Intuition der Elefanten! Es kann sich nur um Telepathie handeln, denn die großen Ithumba-Kühe haben Kamboyo und Zurura vorher nie getroffen.

Die Wasisen-Elis beim Matschbaden

Die Neuankömmlinge tauchten gegen ein Uhr mittags auf, nach einer langen und holprigen Reise. Sie waren kaum von der Ladefläche gelaufen, als sie von Sian und Loijuk erkannt und begrüßt wurden. Die vier kennen sich bereits aus der Nursery. Wendi und die ältere Gruppe untersuchten in der Zwischenzeit das Innere der Lkws um sicher zu stellen, dass es keine weiteren Überraschungen mehr gab. Alle Neuankömmlinge werden in Ithumba fröhlich willkommen geheißen, sowohl von den Herdenmitgliedern als auch den Keepern, die ja in allen drei Stationen tätig und bekannt sind.

Der Umzug von Kamboyo und Zurura verlief besonders reibungslos. Sie fühlten sich sofort zu Hause und teilten sich das Schlaflager mit Sian und Loijuk. Offenbar wurde ihnen auch gleich beigebracht, dass sie niemals den Elektrozaun um das Nachtlager berühren sollen. Am nächsten Tag setzten die Regenfälle ein, so dass die beiden just im letzten Moment in Ithumba angekommen waren. Die Vegetation explodierte, die Pfützen füllten sich, in den ausgetrockneten Flussbetten floss wieder Wasser und für die Elefanten begann die frohe Jahreszeit. Gegen Ende des Monats führten Kamboyo und Zurura die Gruppe sogar an, als sie sich abends vom Kalovota-Fluss auf den Heimweg machten. Sie haben sich in der neuen Umgebung schnell zurechtgefunden und passen in die Herde, als wären sie schon immer da gewesen.
Eine sehr interessante Entwicklung in diesem Monat nehmen die vier Big Girls (Yatta, Mulika, Nasalot und Kinna). Sie werden immer unabhängiger, bleiben abends oft im Busch, wenn die Jüngeren ins Nachtlager zurückkehren. Sie sind hungrig nach Kontakt mit wilden Artgenossen und haben offenbar verstanden, dass die Anwesenheit der Keeper genau dies verhindert, ebenso wie die Gegenwart der Jüngsten, die bei jedem Schreck den Schutz ihrer menschlichen Familie suchen. Eines Tages distanzierten sich die vier Big Girls absichtlich von der Gruppe und durchquerten den Kalovoto-Fluss, um auf der anderen Seite zu grasen. Sie kehrten erst spät in der Nacht zurück. Dies wiederholte sich mehrfach in diesem Monat, und als sie im Ithumba-Wald den Kot eines wilden Elefanten fanden, gerieten sie vor Aufregung außer Rand und Band.

Es ist herzerweichend zu beobachten, wie glücklich Kenze in Ithumba ist. Er hat hier dicke Freunde gefunden. Sogar mit den größeren Bullen wie Kora versteht er sich gut. Kora setzt sich bei Ringkämpfen sogar hin, um ihm eine Chance zu gewähren!

Alles in allem war es ein wunderbarer und glücklicher Monat für die Ithumba-Gruppe mit üppiger Vegetation, gefüllten Flüssen, Schlammlöchern und Pfützen, wohin man nur blickte. All unseren geht es Waisen gut, und unsere vier Big Girls werden langsam erwachsen. Ohne Zweifel werden sie sich bald mit ihren wilden Artgenossen mischen.

Die Voi-Waisen

Burra war in diesem Monat für den „Mweiga-Dienst“ eingeteilt und hat seine Aufgabe ohne Unterbrechung hervorragend ausgeführt.

Es war ein fortwährendes Kommen und Gehen zwischen Emilys, Natumis und Edies neu gegründeter Gruppe. Edie ist nur unwesentlich jünger als Natumi und hatte selbst immer eine Leitkuh sein wollen, doch mittlerweile sind ihre Gruppe und die von Natumi oft als große Familie unterwegs. Zu Edies Gruppe gehören Lolokwe, Mukwaju und Mweya, doch Mukwaju lief dann wieder in Natumis Gruppe über. Einmal war Edie mit Loisaba, Morani, Lolokwe und Mweya unterwegs. Loisaba ist aber eigentlich in Emilys Gruppe, genauso wie Ndara, die allerdings zwischendurch in Natumis Gruppe gesichtet wurde. Beide haben am Ende wohl aber wieder zu Emily zurück gefunden, denn man hat sie nicht mehr bei Natumi gesehen.

Lissa und ihre beiden jungen Kälber kamen an die Stallungen und spielten für eine lange Zeit auf dem Gelände. Ihr erstes Kalb, die achtjährige Lara, war an diesem Tag nicht dabei und wahrscheinlich mit Emilys oder Eleanors Gruppe unterwegs (Eleanor war Lissas frühere Leitkuh) oder eben einer anderen wilden Herde. Es wird also deutlich, dass die Waisen trotz der Verbundenheit zu einer bestimmten Leitkuh immer eine große Familie bleiben und somit auch unter wechselnder Obhut leben. Die Leitkühe der Waisenherde warren Emily, deren Position nach ihrer Auswilderung von Natumi übernommen wurde, Natumi selbst und jetzt auch Edie. Sie neigen zu einem besitzergreifenden Charakter und reagieren gekränkt, wenn sich Emily der Gruppe wieder einmal anschließt und sie sich dann-  unterwerfen müssen. Inzwischen scheinen sie sich aber arrangiert zu haben. Die jüngeren Waisen halten sich zeitweise bei Emilys Gruppe auf, dann wiederum bei Natumis Gruppe, und Edie darf sich hin und wieder ein paar der Waisen „ausleihen“, um Burra und Mweiga Gesellschaft zu leisten. Es ist keine Überraschung, dass Mweya und Morani häufig „ausgeborgt“ werden, denn beide mochten Mweiga schon immer und verbringen gern Zeit mit ihr.

Icholta mit einem wilden Bullen
Edies Gruppe blieb in diesem Monat in engem Kontakt mit Burra und Mweiga, und auch Natumi und ihre Gruppe haben ihren Teil beigetragen. Was wieder auffiel, war die Hingabe, mit der sich die Elefanten um die schwächliche Mweiga kümmern, die mittlerweile der einzige Elefant ist, der noch in den Stallungen übernachtet. Allerdings wird sie von ihren Artgenossen nie allein gelassen.

Es ist außerdem sehr interessant, dass sich die männlichen Elefanten genauso um Mweiga kümmern wie die weiblichen. In diesem Monat war es Burra, der sich rund um die Uhr um sie bemühte. Er läuft hinter ihr, wenn die anderen bereits vorausgehen; er löst sich von der Gruppe, um sie zu den Stallungen zu begleiten, und lässt die anderen, die sich im Busch vergnügen, zurück; und er schaut ihr ruhig zu, wenn sie ihre Milch trinkt, ohne auch nur zu versuchen, ihr die Flasche wegzunehmen. Dass gerade die beiden älteren Bullen, Laikipia und Nyiro, ihre Gruppe verließen um bei Mweiga und Burra zu bleiben, ist ebenfalls rührend.

Natumis Gruppe hat inzwischen auch Thomas Gruppe integriert, das heißt, diejenigen Waisen, die ganz zuletzt auch nachts im Freien bleiben dürfen. Natumis und Thomas Gruppe schauen regelmäßig an den Stallungen vorbei, meist nur, um zu trinken (obwohl es seit den ersten Regenfällen überall natürliche Tränken gibt), oder wahrscheinlich nur, um einmal „zu Hause“ nach dem Rechten zu schauen. Denn häufig tauchen sie auf, wenn Burra und Mweiga nicht da sind. Wahrscheinlich möchten sie auch einfach nur mit ihrer menschlichen Familie in Kontakt bleiben, zu denen sie Vertrauen und Liebe entwickelt haben. Wann immer sich die verschiedenen Waisen auf Burra, Mweiga oder einen anderen Elefanten treffen, gibt es eine große Wiedersehensfreude.

Regenschauer brachten ein wenig Grün und füllten einige der natürlichen Senken, so dass die Voi-Waisen einen vergnügten Monat zubrachten. Mweiga und Burra waren viele Tage für sich allein glücklich. Morgens spielen sie auf dem Stallungsgelände, und Mweiga schwingt ihren Rüssel hin und her, sobald es auf in den Busch geht. Dies ist ein Zeichen der Fröhlichkeit, und man sieht wie wohl sich die beiden auch ohne die anderen Waisen miteinander fühlen. Sie werden täglich vom Zebra-Waise Serena begleitet, an die sie sich mittlerweile auch gewöhnt haben. Zu Beginn versuchte Burra sie anzugreifen, weil er sie nicht dabei haben wollte. Mittlerweile scheut Serena allerdings nicht in Kreisen um ihn herumzurennen, so dass er nun begriffen hat, dass auch sie zu seinen täglichen „Aufgaben“ dazu gehört.