Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im November 2004

Die Nursery-Elefanten

Ein drei Monate altes Elefanten-Mädchen wurde allein schlafend unter einem Baum entdeckt – kein einziger Elefant war in der Nähe. Da sie noch völlig abhängig von der Muttermilch war, wurde sie mit dem Flugzeug zu uns gebracht. „Lualeni“, wie wir sie genannt haben, geht es inzwischen körperlich gut, doch leidet sie noch sehr unter dem Verlust ihrer Mutter und der Elefantenfamilie.

Eine andere neue Waise wurde im Alter von drei Wochen aus einem reißenden Fluss gerettet, den sie mit ihrer Familie hatte überqueren wollen. Die erwachsenen Elefanten mussten am anderen Ufer hilflos zusehen, wie die Kleine von der Strömung mitgerissen wurde, und als es Nacht wurde, zogen sie weiter. Glücklicherweise hatten einige Leute gesehen, dass das Kalb sich weiter stromabwärts zwischen Felsblöcken verfangen hatte. So konnte die Kleine noch in der Nacht unter erheblichen Schwierigkeiten aus dem Fluss gezogen werden. Am nächsten Morgen wurde sie dann in die Nursery geflogen. Wir haben sie „Nalitu“ getauft nach einer Blume, die im Samburu-Land nach starken Regenfällen in der Savanne blüht. Außer einer kleinen Wunde am Ohr ist Nalitu in guter Verfassung; trotzdem haben wir sie vorsorglich gegen Lungenentzündung behandelt.

Unter den älteren Nursery-Eli-Mädchen gibt es immer wieder Rivalitäten darum, wer für die ganz kleinen Babys die Mutterrolle übernehmen darf. Die Ankunft von Nalitu brachte neuen Streit um die mütterliche Verantwortung, was noch dadurch komplizierter wurde, dass auch Galana zum ersten Mal ein Interesse an dieser Rolle zeigte. Früher war Galana so sehr auf ihr Futter fixiert, dass sie engeren Kontakt zu den anderen vermied. Das ist auch nicht verwunderlich, denn als sie zu uns kam, war sie halb verhungert und konnte kaum ohne Hilfe auf ihren Beinen stehen, aber inzwischen ist auch sie ein richtiger Wonneproppen geworden. Als ältestes Weibchen der Gruppe scheint sie als Siegerin aus diesem Wettbewerb hervorgegangen zu sein, und Nalitu ist nun „ihr“ Baby. Von Zeit zu Zeit dürfen aber auch Naserian und Sunyei ihre Rolle übernehmen, und der winzige Nalitu entwickelt sich allmählich zu einem ganz verwöhnten Baby!

Madiba und Ndomot rivalisieren immer noch miteinander und liefern sich täglich Schubs-Duelle. Während Madiba ein weiches Herz hat und immer auf die Schwächeren Rücksicht nimmt und sich auch um Neuankömmlinge sorgt, ist Ndomot eher egozentrisch und fordernd und hängt, wenn er gerade nicht mit Madiba rauft, ständig wie eine Klette an den Keepern. Buchuma ist ein freundlicher und sanfter kleiner Eli, der überhaupt nicht grob ist, was man von dem kleinen Nalitu nicht gerade sagen kann, denn der entwickelt sich zu einer zweiten „Mweya“ oder „Wendi“, und rempelt, obwohl er noch so winzig ist, schon mal arglose Besucher an!

Lualeni, unser Neuankömmling, ist ein sehr stilles kleines Eli-Mädchen und zweifellos sehr traumatisiert durch die Ereignisse, die sie zur Waise werden ließen, was immer es auch war. Sie erinnert uns an Dika (der jetzt einer unserer unabhängigen „Big Boys“ ist), der vor nunmehr 16 Jahren etwa im gleichen Alter zur Waise wurde und volle vier Monate trauerte! Wie auch beim Menschen, kann nur die Zeit diese Wunden heilen.

Die Ithumba-Waisen

Die heiße Zeit vor dem Regen ist in Tsavo immer eine Herausforderung für alle Tiere und auch für die Menschen. Die Ithumba-Elefanten litten ziemlich unter der Hitze, und so brachte der gegen Ende November einsetzende Regen eine große Erleichterung. Es begann eine Zeit der Freude, die Elis spielten in den Pfützen und schmierten sich den roten Matsch auf die dicke Haut. Die kurzen, heftigen Regengüsse werden oft von Blitz und Donner begleitet, was offenbar für die sechs ehemaligen Nairobi-Elis eine Angst einflößende neue Erfahrung war, denn Gewitter von solcher Intensität kannten sie bisher nicht. Aber auch das anschließend sprießende unglaublich üppige Grün ist für sie neu und hoch willkommen; es ist fast wie im Garten Eden.

Napasha ist immer der Erste – bei der Milchfütterung, im Schlammbad und wenn es darum geht, eine Rauferei anzufangen. Auch wird er immer als Erster in jedes Abenteuer verwickelt. Er ist zwar ein dominanter Charakter, aber er ist auch mit einer sorglosen Gelassenheit gesegnet, und es ist für die Keeper sehr befriedigend, dass er sofort gehorcht, wenn sie ihn nur mit erhobenem Zeigefinger rügen – besonders wenn er gerade eine Rangelei mit Tomboi verloren hat und Revanche möchte. Yatta und Mulika teilen sich die Verantwortung als Matriarchin, während Nasalot und Wendi weniger Wert auf diese Rolle legen. Aber manchmal dürfen auch sie die Gruppe anführen, was für Elis ein Privileg ist, um das sie normalerweise konkurrieren. Selbst die kleine Ol Malo – sonst immer das Schlusslicht – durfte auch schon mal die Führung übernehmen.

An einem Morgen erschien ein wilder Elefant bei den Stockades, aber er lief weg, als er menschliche Stimmen hörte. Es konnte also nicht Imenti gewesen sein! Am nächsten Tag folgten die Waisen seiner Spur, konnten ihn aber nicht einholen. Für die Ithumba-Waisen galt es in diesem Monat, den Rest der harten Trockenzeit bei der Futtersuche zu überstehen.. Ansonsten hatten sie viel Freude miteinander und im Kontakt zu den Keepern. In der grünen Jahreszeit werden auch die wilden Herden nach Ithumba kommen, und dann werden Mulika, Yatta, Kinna und Nasalot hoffentlich die ehemaligen Nursery Babys den wilden Artgenossen vorstellen können. Für uns ist es sehr beglückend zu sehen, wie gut die Ithumba-Waisen ihre erste und ungewöhnlich harte Trockenzeit hier im Norden von Tsavo überstanden haben. Alle sehen gesund und proper aus.

Die Waisen in Voi

Den ganzen November über verbrachten Emily, Aitong und Sweet Sally die Nächte außerhalb der Stockades. Obwohl sie gewöhnlich jeden Morgen die anderen Waisen am Eingang erwarten, um sie in den Busch zu begleiten, sind sie auch schon mal einen oder zwei Tage ganz weggeblieben. Dann stritten Natumi und Icholta um die Rolle der Matriarchin. Da Natumi einige Monate älter ist als Icholta, wird sie wohl die Anführerin sein. Natumi genießt ganz offensichtlich ihren neuen Status, und wollte sogar die anderen am Kontakt zu Emily hindern, als diese einmal mit einem gleichaltrigen wilden Bullen auftauchte. Die eifersüchtige Natumi hielt sich von Emily fern, bis der Bulle fort war.. Erst dann ging sie zur Begrüßung zu Emily.

Der Bulle scheint seit längerem ein Freund von Emily zu sein, denn er wurde schon öfter mit ihr zusammen gesehen. Wenn Emily und Aitong, die als ältere Weibchen normalerweise für Frieden sorgen, nicht bei den anderen sind, dann kommt es unter den jungen Bullen oft zu Rivalitäten und Streitereien, so zum Beispiel zwischen Salama und Nyiro oder Mpala und Burra. Einmal gab es zwischen Tsavo und Sosian sowie Burra und Morani eine heftige und ernste Keilerei, die selbst die Keeper nicht beenden konnten, denn die Burschen rannten jedes Mal ein Stück weg, um dann ihren Kampf fortzusetzen. Erst als Emily plötzlich auf der Bildfläche erschien, ließen sie sich von ihr auseinanderbringen! Einmal kam Emily den Hügel herunter gerannt, um nachzusehen, warum eine der Waisen so gebrüllt hatte. Das zeigt, dass sie immer noch dazugehört und sich kümmert. Bei mehreren Gelegenheiten hat auch Natumi schon in die Kämpfe der Bullen eingegriffen und wird, wie auch Icholta und die anderen älteren Weibchen, mehr und mehr die Rolle der Friedensstifterin übernehmen.

Anfang des Monats sahen die Waisen eine Herde von 60 wilden Elefanten vorüberziehen, konnten sich ihnen aber nicht anschließen, da sie schon auf dem Heimweg waren. Einmal tauchte die Matriarchin Catherine mit ihrer Gruppe bei den Stockades auf, um zu trinken. Bei ihnen war eine ziemlich aggressive Kuh, die den Keepern das Leben schwer machte. Am 15. November stießen die Waisen auf eine 13-köpfige wilde Herde, mit der sie den Tag verbrachten. Laikipia blieb sogar bei den Wilden, stieß aber später beim Schlammbad wieder zu den anderen.

Einmal rannten zwei Buschböcke zwischen den Beinen der Waisen umher und verursachten ein großes Chaos, das mit einem Zusammenstoß von Mweya und Seraa endete. Bei einer anderen Gelegenheit mussten sechs männliche Impalas verjagt werden. Das erforderte den gemeinsamen Einsatz von Mweya, Thoma, Morani und Seraa. Und Emily vertrieb zwei Giraffen und einige Zebras, die auf Burra und Solango zu rannten und sie in Panik versetzten.

Ein großer alter Pavian wollte es nicht zulassen, dass seine Kleinen von den Waisen gejagt wurden, und rächte sich, indem er die ganze Gruppe erschreckte. Ein anderes Mal kam ein ganzer Trupp von Pavianen kreischend den Hügel herunter gerannt, direkt zwischen die Beine der Elis und dann auf die Bäume. Wahrscheinlich waren sie auf der Flucht vor einem Raubtier. Mpala brüllte einmal vor Schreck, als ein Mistkäfer, den er gerade untersuchen wollte, sich an seinem Rüssel festkrallte, was wiederum Emily auf den Plan rief, die sehen wollte, was passiert war.

Der Monat endete mit einem Sieg über zwei Löwen, die von Emily und Aitong vertrieben wurden, als sie unter einem Baum am Fuß des Mazinga Hill Rast machten. Sweet Sally, die normalerweise starr vor Schreck gewesen wäre, zog eine Schau ab und tat sehr mutig, als die Gefahr schon vorüber war – genauso wie alle anderen Waisen, die vor Freude über diesen Triumph laut trompeteten.

In Voi und Umgebung hat es reichlich geregnet, so dass nun nach der langen Dürre die Zeit der üppigen Vegetation angebrochen ist. Für unsere Elis ist das eine Zeit der Freude, wenn es reichlich Futter und Wasser gibt, und sie ausgelassen spielen und Freunde treffen können. Manchmal, wenn die Big Boys sich fremden Herden anschließen, bringen sie neue Freunde mit nach Hause. Wir haben auch keinen Zweifel, dass es Emily und besonders Aitong (mit Sweet Sally im Schlepp) draußen gut gehen wird und dass Natumi und Icholta in ihrer Abwesenheit gern die Rolle der Matriarchin übernehmen werden. Trotzdem werden Emily und Aitong immer die Senior-Matriarchinnen der Waisenfamilie bleiben, denn es besteht ein starkes Band, das sicherlich ein ganzes, etwa 70 Jahre langes Elefanten-Leben halten wird.

* Wir bitten um Verständnis, dass wir Patenschaften erst dann vergeben können, wenn wir die betreffenden Waisen-Elefanten in Kenia besucht und fotografiert haben.