Shukuru ist von uns gegangen

 

Aus Nairobi erreichen uns traurige Nachrichten: Shukuru ist gestorben. Zwölf Jahre lang hatte sie mit mysteriösen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen; am Montag, den 29. November 2021 tat sie schließlich ihren letzten Atemzug. Alle beim Sheldrick Wildlife Trust hatten schon befürchtet, dass dieser Tag bald kommen würde – nichtsdestoweniger herrscht große Trauer.

Shukurus Name war eigentlich „Nashukuru“, was auf Suaheli soviel bedeutet wie „ich bin dankbar“. Auch wenn alle gehofft hatten, dass sie sich irgendwann erholen würde, können wir doch froh sein, dass die wenigen Jahre, die ihr auf Erden vergönnt waren, auch geprägt waren von Liebe und viel Freude. Shukuru liebte ihre Familie sehr, ob es nun die Menschen, ihre Keeper, waren oder ihre Artgenossen, die anderen Waisen. Sogar als es ihr sehr schlecht ging, war sie immer genügsam und freundlich – auch wenn ihr ihre Situation schwer zu schaffen gemacht haben muss.

Ihren Namen bekam sie nach ihrer bemerkenswerten Rettungsgeschichte, die sich im September 2009 ereignete. Sie war erst wenige Tage alt, als sie in eine menschengemachte Grube an der Wasserleitung, die von Mzima Springs nach Mombasa verläuft, fiel. Ein Hirte, der vorbei kam, hörte sie rufen, und mit Hilfe einiger Leute in der Nähe schaffte er es, sie heraus zu holen. Die Helfer entpuppten sich allerdings als gefährlich, denn sie wollten das kleine Kalb töten und verspeisen! Der Hirte, der sie gefunden hatte, stellte sich aber schützend vor sie und brachte sie in seinem Haus in Sicherheit, während eine Rettungsaktion startete. Dank dieses Helden überlebte Shukuru diesen Tag.

Im Jahr 2013 zog Shukuru in die Auswilderungsstation in Ithumba um. Dort blieb sie allerdings nur wenige Jahre, denn in Tsavo ging es ihr nicht gut, und ihre fragile Gesundheit machte sich umso mehr bemerkbar, je älter sie wurde. Schließlich wurde sie wieder zurück ins Waisenhaus nach Nairobi gebracht, damit sie dort besser von Tierärzten untersucht und von den Keepern umsorgt werden konnte.

Nachdem sie sechs Monate im Waisenhaus verbracht hatte, wurde es ihr dort aber zu langweilig. Für Elefanten ist die körperliche Gesundheit untrennbar verbunden mit ihrem emotionalen Zustand; sie brauchte eine Umgebung, die einem Elefanten ihres Alters gerecht wurde und in der sie täglich neues erkunden konnte. Also wurde sie im Juli 2018 nach Umani Springs gebracht, wo sie eine neue Gegend kennenlernen und mit gleichaltrigen Artgenossen zusammen sein konnte.

Ein paar Jahre lang fühlte sich Shukuru wohl in Umani Springs. Sie lebte nie richtig auf – das war wohl leider nicht ihre Bestimmung im Leben – aber immerhin war sie zufrieden im Kibwezi-Wald. Anfang 2021 wurden aber wieder ihre Probleme offensichtlich: Während die anderen Waisen immer größer und kräftiger wurden, holte sie nie auf, sondern blieb weiter klein und eher empfindlich für ihr Alter. Zweifellos war das eine Folge ihrer langjährigen Krankheit. Offenbar spürte sie das mehr und mehr, denn sie hielt sich auffallend fern von den größer werdenden Elefanten um sie herum. Sie ging fast nie mit den anderen zum Baden ins Schlammloch und graste am liebsten allein. Es sah ganz danach aus, als fühlte sich Shukuru nicht mehr so richtig zuhause in Umani Springs.

Und so fuhr sie im Mai diesen Jahres wieder zurück ins Waisenhaus nach Nairobi, wo sie nun zum dritten Mal in ihrem Leben einzog. Inzwischen kannte sie sich hier bestens aus und schien es ganz natürlich zu finden, wieder hier zu sein. Shukuru war nie besonders überschwänglich, aber die deutlich kleineren Waisen um sie herum mochte sie sehr. Und auch sie hingen manchmal wie die Kletten an ihr! Sie war häufig umgeben von einem ganzen Schwarm viel kleinerer Elefantenbabys, die wie magisch angezogen waren von der Anwesenheit dieser relativ großen und immer friedfertigen Kuh.

Mit der Zeit verstärkten sich jedoch die Befürchtungen aller immer mehr, dass sie nicht mehr lange leben würde. Sie hat es auf zwölf Jahre gebracht, aber oft genug hatte sie täglich zu kämpfen. Auch die zahlreichen Untersuchungen der Tierärzte brachten nie die so sehr erhoffte Klarheit darüber, woran sie litt. Ihre Blutwerte ließen vermuten, dass sie immer wieder mit Infektionen zu kämpfen hatte. Und als sie noch ein kleines Baby war, bildete sich an der Schläfe eine seltsame Schwellung, die nie zurückging. Anscheinend steckte hinter ihren Problemen eine chronische Krankheit, die sich allen Versuchen, sie zu verstehen, widersetzte.

Drei Tage bevor sie starb, hörte Shukuru auf, Nahrung zu sich zu nehmen. Die Keeper taten alles, was in ihrer Macht lag, um sie zurückzuholen, aber sie schien keine Kraft mehr aufbringen zu können. An einem Montagnachmittag tat sie ihren letzten Atemzug, umgeben von den Keepern, die sie all die Jahre begleitet hatten. Trotz allem schien sie nie verzweifelt oder in Panik zu sein – sie hatte sich wohl damit abgefunden, dass ihr Leben zuende ging.

Ihr Körper wurde sofort für eine ausführliche Untersuchung vorbereitet, in der Hoffnung, dass eine Autopsie und Gewebeanalyse Aufschluss darüber bringen würde, woran sie gelitten hat. Es sind noch nicht alle Ergebnisse da, aber eines hat sich schon gezeigt: sie hatte eine auffallende Fehlbildung am Kehlkopf. Die Schilddrüse war stark deformiert und dazu extrem vergrößert – die Tierärztin, die schon viele Autopsien an Elefanten erlebt hat, berichtet, dass sie noch nie eine so große Schilddrüse eines Elefanten gesehen hat! Da bei Säugetieren von der Schilddrüse aus viele Funktionen des Körpers gesteuert werden, von der Verdauung bis hin zum Wachstumsprozess und der Herztätigkeit, könnte das durchaus erklären, warum Shukurus Körper sich nie so entwickelte, wie er sollte. Auch wäre es eine mögliche Ursache dafür, dass sie häufig so anämisch war, trotz der eisenhaltigen Injektionen, die sie regelmäßig bekam. Vielleicht liefern die Gewebeproben noch mehr Ergebnisse; alles in allem sieht es aber so aus, als ob ihr Körper irgendwann nicht mehr in der Lage gewesen ist, so zu funktionieren, wie er mit zunehmendem Wachstum hätte funktionieren sollen.

Tief im Inneren hatten alle befürchtet, dass Shukuru nicht sonderlich alt werden würde – aber das macht es natürlich nicht leichter, von ihr Abschied zu nehmen. Zwölf Jahre lang war dieses sanftmütige Mädchen Teil der Waisenherde und des Lebens der Keeper wie auch ihrer Paten. Wir können uns nur mit dem Gedanken trösten, dass sie nun nicht mehr unter dem Körper, der zu schwach war für ein langes Leben, leiden muss. Und wir können dankbar sein für die Zeit mit dieser wunderbaren Elefanten-Persönlichkeit – in den Herzen all derer, die sie kennenlernen durften, wird sie für immer weiterleben.

 

(übersetzt aus dem englischen Original; alle Bilder © Sheldrick Wildlife Trust)