Ngilai, Godoma und Murit ziehen nach Voi um

Ende Mai waren die Keeper und alle Mitarbeiter beim David Sheldrick Wildlife Trust vielbeschäftigt. Innerhalb von nur drei Tagen mussten zwei Umzüge von Waisen in die Auswilderungsstation in Voi geplant und absolviert werden. Nachdem Mbegu, Ndotto und Lasayen am 21. Mai 2018 umgezogen waren, traten nun auch ihre besten Freunde Ngilai, Godoma und Murit die Reise in den Tsavo East Nationalpark an – wie üblich in den frühen Morgenstunden, um die noch kühlen Temperaturen und die freien Straßen auszunutzen.

 


Voi war die allererste Auswilderungsstation des DSWT und war noch von David Sheldrick in den späten 1940er Jahren gebaut worden, als er Vorsteher des Parks war. Im Lauf der Jahrzehnte wurde es zum Zuhause von einigen der bekanntesten Waisenelefanten des DSWT. Es ist wunderbar gelegen an den Hängen des Mazinga-Bergs, von wo aus man einen majestätischen Ausblick auf den südlichen Teil des Nationalparks hat. Dort schlängelt sich der Voi-Fluss durch die Landschaft, umgeben von Wäldern, und in dieser Gegend, mit ihren weiten Ebenen und den vielen Wasserlöchern, fühlen sich die von Matriarchen geleiteten wilden Elefantenherden sehr wohl. An die 100 Waisenelefanten sind mit der Zeit dort wieder ausgewildert worden, und mit den aktuellen Neulingen leben zurzeit 26 milchabhängige Waisen dort.

Murit und Ngilai werden eingeladenMurit
Murit, Godoma und Ngilai sind eingestiegenAlle sind an Bord
Aufbruch in Nairobi
In der Auswilderungsstation in Voi scheinen die Waisen – im Vergleich zur zweiten Station in Tsavo, in Ithumba – immer länger zu brauchen, bis sie wieder in die Wildnis zurückkehren. Niemand weiß so recht warum; vielleicht liegt es daran, dass die Waisen dort auch früher schon nach ihrer Auswilderung noch lange Zeit in der Nähe der Stallungen lebten und dieses Verhalten an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird.

UnterwegsMorgendlicher Himmel über Tsavo
An der Schnellstraße von Nairobi nach MombasaUnterwegs wird frisches Grün geschnitten
Aktuell wird die Waisenherde in Voi angeführt von Leitkuh Kenia, die sehr darauf achtet, nicht zu weit weg zu gehen, und sich immer gut um die jüngeren Babys kümmert. Sie passt sehr gut auf ihre Schützlinge auf, von denen es nun 25 sind, und auch ihre Alterskolleginnen unterstützen sie dabei tatkräftig. Sie hat es gar nicht gern, wenn die Ex-Waisen, die jetzt wild leben, zu Besuch kommen und mit ihren Herdenmitgliedern anbandeln. Sie unternimmt dann einiges, um solche Zusammentreffen zu vermeiden oder zumindest so zu gestalten, dass sie die Kontrolle über ihre Adoptivkinder behält.

Unter den Ex-Waisen gibt es etliche inzwischen erwachsene Elefanten, die in den 1980ern und 1990ern von Daphne Sheldrick aufgezogen wurden und die natürlich gut nachfühlen können, wie es den Neulingen in Voi geht. Da ist zum Beispiel Lissa, die 1986 geboren wurde und im Laufe der Jahre selbst sechs Babys zur Welt gebracht hat, und es schien kein Zufall zu sein, dass sie mit ihren beiden jüngsten Kälbern am 22. Mai vorbei schaute, gerade einen Tag nachdem Mbegu, Ndotto und Lasayen zur Waisenherde in Voi gestoßen waren. Sie trafen an der Westseite des Mazinga-Bergs aufeinander, und die Keeper wurden Zeuge dieses Wiedersehens! Lissa lebt nun schon seit Jahrzehnten in der Wildnis Tsavos und kennt sich dort bestens aus. Solche Zusammentreffen zwischen den jüngeren Waisen und den älteren Ex-Waisen werden in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren von unschätzbarem Wert sein, denn dabei lernen die Kleinen von den weisen Elefantendamen, profitieren von ihrer großen Erfahrung und schärfen so ihre Instinkte für ihr zukünftiges Leben in der Wildnis.

Schwierige Ankunft in VoiGodoma und Murit nach dem Aussteigen
Murit nach der Ankunft
Aber erst einmal zurück zum letzten Umzug, der gar nicht nach Plan begann. Godoma schlug den Keepern ein Schnäppchen, als sie im Dunkeln davonrannte und hinter Maxwells Gehege verschwand! Schließlich beschloss sie aber doch noch, ihren vertrauten Keepern in dem Umzugs-LKW zu folgen. Die beiden Jungs, die sie begleiteten, Ngilai und Murit stellten sich nicht so an und konnten es scheinbar kaum erwarten, die Reise anzutreten. Um 3 Uhr morgens verließ der LKW den Nairobi-Nationalpark, mit drei Elefanten auf der Ladefläche sowie zwei Keepern, die sie während der Fahrt beruhigen und ihnen frisches Wasser und Futter zukommen lassen konnten. Die Fahrt nach Voi verlief ohne Probleme, und die Waisen – beruhigt vom sanften Geschaukel des LKW – waren die ganze Zeit die Ruhe selbst. So kam der Konvoi schon vor 9 Uhr an der Auswilderungsstation in Voi an.

Godoma (in der Mitte) genießt LuzernenheupelletsNgilai mit seinen neuen Freunden an der Tränke
Ngilai löscht seinen Durst, und sein Keeper schaut ihm zuBeim Schlammbad
Das Aussteigen gestaltete sich dann allerdings etwas schwieriger, denn bei dem Versuch, den LKW zum Öffnen an der Laderampe zu parken, blieb er im lockeren Sand stecken! Zum Glück behielten die Beteiligten einen kühlen Kopf, und Robert Carr-Hartley dachte sich einen Ausweichplan aus, um die Waisen durch die Hintertür aussteigen zu lassen. Sie wurde geöffnet und am Boden abgestützt, sodass die Waisen zwar eine ziemlich steile Rampe heruntergehen mussten, aber keine Probleme damit hatten. Murit war der erste und tastete sich vorsichtig hinunter, wo ihn schon viele helfende Hände mit verlockenden Milchflaschen in der Hand warteten. Als nächstes war Godoma an der Reihe, die durch Murits Reiseabteil geführt wurde und dann aus der Hintertür hinaus, und als letztes schließlich Ngilai. Dank des ausgefeilten Designs des Umzugs-LKWs, durch das die Türen zwischen den einzelnen Abteilen geöffnet werden können, war das Ganze recht einfach zu bewerkstelligen.

Der erste Tag draußen im BuschIm Tsavo East Nationalpark
Die Neulinge grasen mit der WaisenherdeMurit und Godoma im Wasserloch
Nachdem die Neuankömmlinge erfolgreich ausgestiegen waren, wurden Kenia und ihre Kollegen zu ihnen gelassen und umringten sie sogleich begeistert. Sie begrüßten das Trio enthusiastisch, das sich inmitten von liebevoll tätschelnden Rüsseln und wedelnden Ohren wiederfand. Die Voi-Waisen waren kaum zu bremsen, was allerdings Murit etwas überforderte – er rannte erst einmal in die entgegengesetzte Richtung davon! Seine vertrauten Keeper, die aus Nairobi mitgekommen waren, beruhigten ihn und brachten ihn zur Herde zurück. Dort traf er die bekannten Gesichter Mbegu, Ndotto und Lasayen wieder, die ihm erst einmal erklärten, was von all dem zu halten war. Ngilai und Godoma waren auch sehr erleichtert, ihre besten Freunde wiederzusehen, und die sechs bekamen ein wenig Zeit, sich abseits der Anderen in Ruhe zu begrüßen, ihren Durst zu löschen und ein paar Luzernenheupellets zu fressen.

Die Waisen am Mazinga-BergGodoma, Ngilai und Murit im Tsavo East Nationalpark
Mbegu und NgilaiMurit wird von ihren älteren Artgenossen begrüßt
Dann ging es auf in den Nationalpark, wo es viel Neues zu sehen gab. Jede Menge unbekannter Tiere, Futter im Überfluss, das verlockend duftete und schmeckte, und natürlich die allgegenwärtigen Gerüche wilder Elefanten. Alle sechs Neulinge aus dem Waisenhaus in Nairobi, die sich jetzt in Voi eingewöhnen müssen, hielten sich noch dicht an ihren Keepern – sie brauchen noch ab und zu einen beruhigenden Finger, an dem sie nuckeln können, oder ein paar Streicheleinheiten, wenn sie sich in ihrer neuen Umgebung noch nicht ganz zurecht finden. Bald kam die ganze Herde zum rot gefärbten Schlammloch, gerade als einige wilde Elefanten von dort aufbrachen. Sie hatten ein sehr ausgelassenes Schlammbad bei herrlich warmem Wetter und konnten sich wunderbar abkühlen.

Murit genießt das SchlammbadGodoma grast im Nationalpark
Süßer Murit
Damit sind nun die Umzüge nach Voi zumindest für die nächsten Monate erst einmal erfolgreich absolviert. Die guten Freunde aus dem Waisenhaus sind wieder vereinigt, und für sie beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt, in dem sie viel von den Elefanten Tsavos lernen werden. Dies ist besonders wichtig, denn um einmal ein erfolgreiches Leben in der Wildnis führen zu können, brauchen sie die Interaktion mit ihren älteren Artgenossen, den älteren Waisen, wie auch den erwachsenen Ex-Waisen und wilden Elefanten. Sie müssen lernen, wie man sich als Elefant verhält und ab und zu auch einmal ihre Grenzen aufgezeigt bekommen! In Voi dauert dieser Prozess bis zu zehn Jahre, in denen sie viel erleben werden, bis sie schließlich den endgültigen Schritt zurück in ein unabhängiges Leben wagen. Bis dahin werden die Keeper sie begleiten, damit sie sich in ihrem neuen Zuhause eingewöhnen und neue Freunde gewinnen können – Freunde, die das gleiche durchgemacht haben wie sie selbst, den Verlust ihrer geliebten Familie ertragen mussten, aber nun ein neues Leben genießen können.

Godoma, Ngilai und MuritGodoma grast zusammen mit einem neuen Freund
Ndotto, Mbegu, Lasayen und Godoma
(übersetzt aus dem englischen Original)