Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im August 2004

Nairobi-Nursery

Das aufregendste Ereignis des Monats war die Ankunft der 14 Monate alten Galana*, einer Waise, die von Park-Besuchern im dichten Buschwerk am Galana River entdeckt worden war – nahe bei einer Gruppe von 15 Löwen. Man alarmierte die Wildlife-Behörde, die sofort den Mobilen Tierarzt-Einsatzwagen schickte. Das Elefantenmädchen war für sein Alter ziemlich groß, hatte aber noch keine Stoßzähne, so dass man sie auf etwa 14 Monate schätzte. Galana wurde in die Nairobi-Nursery geflogen. Sie gebärdete sich ziemlich wild und verängstigt – war aber ganz ausgehungert nach Milch, die sie zwischen den Angriffen auf die Keeper gierig schluckte. Am nächsten Morgen konnte sie allerdings vor Schwäche nicht allein aufstehen, und es waren sechs Keeper nötig, um sie auf die Beine zu bringen. Anschließend bekam sie spezielle Aufbau-Milch, die auch ihre Wirkung nicht verfehlte. Nach einem weiteren Tag in den Stockades war sie bereits so ruhig, dass sie mit den anderen hinaus gehen konnte, und nach 10 Tagen fing sie sogar an, mit den anderen zu spielen, was für uns immer ein sehr gutes, beruhigendes Zeichen ist. Obwohl noch ziemlich dünn und ausgezehrt, ist Galana schon ein richtiges Mitglied der kleinen Nursery-Herde und der besondere Liebling von Ndomot.

Alle anderen Nursery-Babys gedeihen prächtig, aber es war auch ein aufregender Monat für sie, denn in dem Wald, wo sie ihre Tage verbringen, hielten sich viele Büffel auf. Die Elefanten und ihre Keeper wurden mehrmals angegriffen und mussten vor ihnen flüchten.

Ndomot und Madiba balgen sich oft stundenlang, bis einer von beiden wütend wird und ein ernster Kampf daraus entsteht. Dann müssen die Keeper eingreifen und die Ordnung wieder herstellen! Madiba liebt es, Warzenschwein-Babys zu jagen, die sich mit ihren Müttern gern in der schützenden Nähe der Elefanten aufhalten. Ndomot und Naserian waren die ersten, die sich nach dem ersten Kennenlernen zu Galana gesellten, während Sunyei sich noch abseits hielt, später aber sichtlich “auftaute“. Madiba ist ein dominanter und starker Charakter, womit er seine geringe Körpergröße wettmacht. Allerdings ist er auch gewachsen, jedoch mehr in die Breite als in die Höhe! Er duldet keine Streiche der anderen und setzt seine Interessen vehement durch. Ähnlich wie Imenti, wird auch Madiba sicher ein starker Charakter, ein richtiger Mini-Elefantenbulle und der Liebling aller.

Ithumba / Northern Area von Tsavo-Ost

Es sieht so aus, als ob Yatta und Mulika gemeinsam die Rolle der Matriarchin übernommen haben. Selengai hält sich immer in der Nähe von Mulika, und Ol-Malo ist großer Favorit aller älteren Elefanten-Mädchen. Tomboi und Taita streiten oft, während Napasha ständig versucht, die anderen zu besteigen – besonders bei Taita versucht er es immer wieder. Einmal fiel er dabei auf einen Baumstumpf und rammte sich einen großen Holzsplitter ins Bein. Unser mobiler Tierarzt fuhr gleich nach Ithumba, um sich die Sache ansehen. Napasha musste eine kleine Operation über sich ergehen lassen, war aber danach schnell wieder auf den Beinen. Nach zwei Tagen hatte er es dann schon wieder auf Taita abgesehen, den er offenbar für dieses Missgeschick verantwortlich machte! Die älteren Weibchen sorgen aber dafür, dass er seinen – für junge Bullen typischen Spaß am Besteigen der anderen nicht übertreibt. Bei zwei Gelegenheiten trafen die Waisen auf die Spur wilder Elefanten, aber es gab bisher keinen Kontakt mit ihnen – dafür jedoch mit anderen Tierarten. Zum Beispiel brachten es Perlhühner fertig, die Waisen in Angst und Schrecken zu versetzen. Dafür jagten sie Erdhörnchen und Dikdiks. Unsere Ithumba-Waisen sehen alle proper aus und scheinen in ihrer neuen Heimat sehr glücklich zu sein. Man sieht oft, wie sie ihre Rüssel hin und her schwingen, was in ihrer Körpersprache Wohlbefinden und Freude bedeutet. Es ist in diesem Jahr sehr trocken in Ithumba, aber sogar die trockenen Büsche sind extrem nahrhaft, und davon gibt es im Umkreis der Stockades genug. Sie gewöhnen sich auch allmählich daran, das salzhaltige Wasser dieses Gebietes zu trinken, und es scheint zu schmecken und ihnen nicht zu schaden. Trotzdem schaffen wir zusätzlich Süßwasser heran, um den Salzgehalt des Trinkwassers zu vermindern und um damit die Milch für die Jüngsten zuzubereiten.

Die Tsavo-Waisen in Voi

In diesem Monat illustrierten einige interessante Verhaltensweisen die “menschliche“ Seite der Elefanten. Beispielsweise, als Laikipia Morani arglistig von den anderen weglockte, um ihn dann zu besteigen. Als Morani brüllte, eilten Emily und Aitong sofort zu seiner Rettung, und Laikipia wurde für die nächsten Stunden von den anderen “gesellschaftlich geächtet“. Einmal demonstrierte Emily der kleinen Seraa, wie man mit den Stoßzähnen und einem Vorderfuß Wurzeln ausgräbt. Sofort versuchte Seraa, ihr nachzueifern, und ging erst mal in die Knie. Eifersucht zeigt sich, wenn Sweet Sally den kleinen Morani daran hindert, bei Aitong zu nuckeln, obwohl diese das gern zugelassen hätte. Mvita greift sich mit dem Rüssel einen Stock, um sich am Bein zu kratzen, und als Irima um Hilfe schreit, weil Mweiga ihm seine Milchflasche wegschnappen will, bauen die anderen sich hinter ihm auf und sorgen dafür, dass er ungehindert trinken kann. Als Solango einmal einen heftigen Streit mit Burra hatte, griff er sich Stöcke und bewarf Burra damit. Und Sweet Sally bekam von Aitong eine Lektion im Schubsen, so dass sie in der Lage war, Mweya zu besiegen, die normalerweise bei solchen Rangeleien immer gewann!

Besonders beeindruckend ist Emilys Verhalten, wenn die Waisen einen alten Büffel in einem Dickicht umstellen und der Büffel die Hörner senkt und anzugreifen droht. Dann zieht Emily sich schnell zurück und fordert damit die anderen auch zum Rückzug auf. Wenn ihre Schützlinge in Sicherheit sind, geht Emily allein zu dem Büffel zurück, um ihn schließlich zu vertreiben.

Ein anderes Mal hinderte Aitong den kleinen Morani mit ihrem Rüssel am Weglaufen, als ein riesiger wilder Elefantenbulle sich näherte. Sie zwang ihn so, stehenzubleiben und den freundlichen – wenn auch Furcht einflößenden – Fremden kennen zu lernen. In diesem Monat trafen die Waisen einige Male auf wilde Herden. So erregte ein wildes Eli-Baby Laikipias Aufmerksamkeit. Es gehörte zu einer von drei Kühen, die Laikipia nicht aus den Augen ließen und das Baby gut bewachten. Ein anderes Mal schlossen sich die Waisen fünf erwachsenen wilden Elefanten an, zu denen ein 7 Monate altes Kalb gehörte. Und wieder waren zwei ältere Weibchen besonders wachsam, weil Aitong offensichtlich ganz entzückt von dem Kleinen war. Einen Tag später führte Aitong Sweet Sally zu einer wilden Herde und kehrte mit einem wilden Bullen zurück, der einige Zeit mit den Waisen verbrachte.Kurze Zeit später schlossen sich die Waisen wieder einer 9-köpfigen wilden Herde an, zu der ein winziges Baby gehörte. Lolokwe und Morani waren von diesem Baby fasziniert, während Emily mit einem gleichaltrigen wilden Bullen spielte. Als das Baby mit seiner Mutter weggehen wollte, versuchte Laikipia vergeblich, es mit Rüssel und Stoßzähnen zurückzuhalten! Bei einem weiteren Zusammentreffen lieferten sich Mukwaju und Salama mit gleichaltrigen Wilden freundschaftliche Kämpfe.

Unsere Waisen hatten auch in diesem Monat wieder einige Abenteuer mit anderen Tierarten zu bestehen: Sie wurden von einem brütenden Strauß in die Flucht geschlagen und hatten große Angst vor Hyänen, die gerade mit der Paarung begonnen hatten! Etwas mehr Mut bewiesen sie, wenn es darum ging, Paviane und Wasserböcke zu jagen. Eine Giraffe schaffte es ebenfalls, sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Ein anderes Mal wiederum retteten sie einen Hasen, der von einem Schakal verfolgt wurde. Dabei waren Burra, Solango, Mpala und Sosian die Helden, die sich den Schakal vorknöpften, während der Hase zwischen den Beinen der übrigen Waisen hindurch raste und unverletzt entkam.

Aitong zeigt immer noch eine ausgeprägte Vorliebe für Sweet Sally, ebenso wie Emily für Ndara. Zwischen Icholta und Mvita und auch zwischen Mpala und Morani gibt es gewisse Rivalitäten. Mweya und Nyiro verbindet eine starke Freundschaft, die allerdings ziemlich belastet wurde, als Nyiro liebevoll seinen Rüssel in Mweyas Maul steckte und diese einfach zubiss. Mweya hat sowieso ständig Unsinn im Kopf – einmal rollte sie sich in einem alten Traktor-Reifen wie eine Schnecke zusammen und war schließlich so darin verkeilt, dass die Keeper sie herausziehen mussten.

Die trockene Jahreszeit hat uns bereits wieder fest im Griff, und es scheint uns eine harte Zeit bevorzustehen, aber bis jetzt sind alle Waisen noch sehr proper und sogar die schwächliche Mweiga scheint endlich kräftiger zu werden. Sie bekommt mit ihren 6 Jahren immer noch ihre tägliche Milchration und eine extra Portion Kokoskuchen.

* Patenschaften für neue Elefanten-Waisen vergeben wir erst, wenn wir vor Ort waren, die Waisen kennenlernen und Fotos machen konnten.