Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Juni 2004

Nursery-Elefanten

Der 18. Juni war ein denkwürdiger Tag, der das Leben von sechs unserer Nursery-Elefanten entscheidend verändert hat, denn Napasha, Wendi, Tomboi, Olmalo, Taita und Selengai wurden von der Nursery nach Ithumba im Norden von Tsavo East gebracht, wo sie auf ihr Leben in der Wildnis vorbereitet werden. (Über den Umzug haben wir gesondert ausführlich berichtet).

Wenn wir die Elefanten-Kinder in die „große weite Welt“ schicken, dann ist das für uns immer sehr schmerzlich, da wir sie fast von Geburt an mit großer Liebe und Fürsorge aufgepäppelt haben. Wir vermissen die Kleinen sehr und fühlen auch ihren Kummer, den so eine radikale Veränderung mit sich bringt. Aber für ihr Wohlergehen in der Zukunft ist diese Umsiedlung unerlässlich.

In der Nursery verbrachten die ganz Kleinen – Naserian*, Ndomot, Sunyei und Madiba – den Morgen damit, nach ihren Freunden zu suchen. Sie liefen im Busch umher und dann wieder nach Hause, um nachzusehen, ob die Vermissten nicht doch noch dort waren. Dann blieben sie eng beieinander und steckten die Köpfe zusammen, so als ob sie sich gegenseitig trösten wollten. Sunyei und Ndomot vermissten besonders Wendi, und in der Nacht machte Ndomot besonders viel Geschrei und hing mehr als sonst an seinem Keeper (er war schon immer unsicher und brauchte viel Zuwendung). Madiba, ein recht unempfindlicher Charakter, akzeptierte nach kurzer Einschätzung der Lage die Situation und ging seinen eigenen „Geschäften“ nach, während die kleine Naserian spürte, dass vielleicht die Menschen ihre Freunde weggebracht hatten, und deshalb mehr als sonst gegenüber Fremden etwas grob war. Am zweiten Tag nach der Abreise der sechs Kleinen normalisierte sich alles wieder, und die kleine Sunyei übernahm die Rolle der Mini-Matriarchin in der Nursery, was sie sichtlich zu genießen schien. Wahrscheinlich vermissen wir Menschen die Sechs am meisten!

Die Ithumba-Gruppe

In Ithumba, unserer neuen Auswilderungsbasis im Norden von Tsavo East, befinden sich jetzt zehn unserer Elis – einmal die oben erwähnten sechs Kleinen aus der Nursery sowie vier der größeren aus Tsavo, nämlich Mulika, Nasalot, Yatta und Kinna. Gleich am Tag ihrer Ankunft hat Nasalot die Rolle der Matriarchin übernommen. Kinna und Yatta sind noch etwas zurückhaltend, und von den Vieren scheinen die beiden ihre Freunde in Voi am meisten zu vermissen. Dies wird sich mit Sicherheit ändern, was sich schon am 30. Juni zeigte, als sie in den Busch zogen und dabei ihre Rüssel hin und her schwenkten, was in der Elefanten-Körpersprache ein Zeichen von Freude ist. Die älteren Elis sorgen inzwischen schon für Disziplin und gutes Benehmen in der Gruppe, indem sie bei Zankereien einschreiten und diejenigen bestrafen, die sich vorbei benehmen, z.B. als Tomboi Olmalo schubste und dafür von Nasalot, die Olmalo zu Hilfe eilte, verjagt wurde. Napasha demonstriert als Leitbulle seine Unabhängigkeit und Selbstsicherheit. Er befasste sich beispielsweise mit einem Mungo, der Olmalo erschreckt hatte. Auch bringt er den Kleinen bei, wie man mit der vertrocknenden Vegetation zurechtkommt. Selengai verscheuchte ein Dikdik – was für einen Baby-Elefanten eine ziemlich mutige Tat ist. Wir sind zuversichtlich, dass diese zehn “Vorkämpfer“ in unserer neuen Ithumba-Auswilderungsstation gut gedeihen werden, denn dieses Gebiet im Norden Tsavos ist ursprüngliches Elefanten-Land mit allen Mineralen und Nährstoffen in der Vegetation, die sie brauchen, um stark und gesund zu sein. Dieses Gebiet war einst bekannt für seine riesigen Stoßzahnträger. In den fünfziger und sechziger Jahren war es nicht ungewöhnlich, wenn man während einer Fahrt am Tiva River ein halbes Dutzend massiver Bullen sah, die auf jeder Seite einen über 100 Pfund schweren Stoßzahn trugen. Doch die entsetzliche Wilderei der siebziger, achtziger und frühen neunziger Jahre hat alles verändert. Heute aber kehren die Elefanten zurück in den seit drei Jahrzehnten verlassenen Norden, und einige der Bullen mit den Riesen-Stoßzähnen sind noch am Leben, weil sie sich all die Jahre über versteckt gehalten haben.

Die Tsavo-Waisen

Nachdem Mulika, Nasalot, Yatta und Kinna am 18. Juni nach Ithumba gebracht worden waren, hat es uns überrascht, dass Emily und Aitong sie nicht zu vermissen schienen. Dank der Erfahrung vieler Jahre sind wir sicher, dass Elefanten die Fähigkeit besitzen, gedankliche Prozesse wahrzunehmen, denn Telepathie im Tierreich ist ein durchaus reales Verständigungsmittel. Emily und Aitong wissen ganz einfach, wo die vier sind und warum sie dort sind! Es mag etwas weit hergeholt klingen, aber Elefanten haben viele geheimnisvolle Fähigkeiten, die für uns Menschen überraschend sind!

Die Tsavo-Gruppe hatte in diesem Monat intensiven Kontakt zu wilden Elefanten, und auch Uaso kam oft unverhofft zu Besuch und begleitete sie ins Schlammbad oder graste mit ihnen. Er gehört jetzt zu Lissas Familie, die zusammen mit ihren beiden jungen Kälbern einige Zeit mit Eleanors wilder Matriarchen-Freundin – einer Kuh mit Namen Catherine – verbrachte. Lissa und ihre Babies erschienen am 11. des Monats zusammen mit Uaso bei den Stockades.

Am 8. Juni gab es einige Aufregung, als Aitong und ihre Lieblingswaise Sweet Sally eine ganze Nacht lang wegblieben. Sie waren um 5 Uhr nachmittags einer wilden Herde gefolgt, mit der sie die Nacht verbrachten, und kehrten am nächsten Morgen zu den Stockades zurück. Es war das erste Mal, dass Aitong sich von der Gruppe trennte. Die Keeper berichten, dass Aitong es genießt, in Gesellschaft von Sally mehr Zeit allein zu verbringen, und wir fragen uns, ob die Gruppe sich teilen wird, wobei sie mit Sicherheit eine lockere Verbindung beibehalten werden. Aitong ist immer sehr zugewandt gewesen und fühlt sich wohl in der Gesellschaft wilder Bullen und Kühe.

Die bewährten Freundschaften zeigten sich auch in diesem Monat – die jungen Bullen Laikipia, Salama und Lolokwe raufen oft zusammen und messen ihre Kräfte. Da mischen dann auch Nyiro, Mukwaju und Tsavo mit, und Irima schubst nach allen Seiten, wenn es mittags die Milchflasche gibt. Dicke Freunde sind auch Thoma, Solango, Seraa, Mpala und der kleine Morani, während Sosians Hinterlist sich zeigt, wenn er die anderen an einem kühlen Tag, wo alle das Wasser meiden, mit kaltem Wasser nass spritzt.

Aus dem Tagebuch der Keeper geht klar hervor, dass Nursery-Freundschaften beständig sind, denn die Kälber, die schon in der Nursery zusammen waren, bleiben eng verbunden und halten zu allen anderen Waisen einen lockeren Kontakt.

* Für Naserian werden wir in Kürze Patenschaften vergeben, sobald das Patenschafts-Foto verfügbar ist.. Bitte noch etwas Geduld!