Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im Juni

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe: Juni 2009

Am 4. Juni ging es Schlag auf Schlag weiter: ein neues Elefantenbaby kam bei uns an, und nun hatten wir 19 Waisen in der Gruppe – ein neuer Rekord! Stammesangehörige der Samburu hatten dieses 5 bis 6 Monate alte Kälbchen in einem Brunnen in der Nähe von Archer’s Post im Kalama-Schutzgebiet gefunden, die Wildhüter des Reservates befreiten es und benachrichtigen uns sofort. Als es bei uns ankam, ging es der Kleinen recht gut, und wir nannten sie „Kalama“.

Kalama at the nursery the first day at the nursery

Am 9. Juni schon der nächste Notfall, der uns über einen Touristen aus der Mpala Ranch in Laikipia zugetragen wurde, wo ein Elefantenbaby dringend Hilfe brauchte. Wir setzten uns mit dem Manager der Ranch in Verbindung, der uns erklärte, dass in letzter Zeit viele Elefantenkälbchen auf der Ranch gestorben seien. Also wurden die Tierärzte vom KWS abgesandt. Ein extrem abgemagerter kleiner Bulle wurde zu uns gebracht. Er war vielleicht drei Jahre alt oder gar noch jünger und somit immer noch milchbedürftig, und das zu Zeiten großer Dürre im Norden. Schon bei seiner Ankunft war er kaum noch bei Bewusstsein und starb während seiner ersten Nacht bei uns. Sein Körper wurde zur Autopsie nach Kabete gebracht, doch bis zum Ende des Monats gab es noch keine Erkenntnisse, außer, dass sein Magen randvoll mit Parasiten war, was offensichtlich auf den Mangel an Milch zurückgeführt werden kann.

Die Ankunft dieses schon älteren Kälbchens zog wieder einmal ein Umsortieren der Schlafplätze nach sich, und die Nacht verlief für alle sehr unruhig. Tassia brüllte sich die Seele aus dem Leib, weil Kenia und Kimana nicht, wie sonst auch, neben ihr schliefen. Kenia, Dida und Baarwa wurden in die ehemaligen Ställe von Lesanju, Lempaute und Sinya verlegt, was Suguta so verstörte, dass sie sofort in Tassias Leidgesang einstimmte! Die auf dem Gelände lebenden Hagedaschen und Baumschliefer schlossen sich dem Katzenjammer an und machten die Sache dadurch nur noch schlimmer!

All 17 orphans together at the beginning of the month

Nachdem der Stall des verstorbenen Babys gereinigt und desinfiziert war, wurden alle wieder in ihren alten Stall zurück gebracht – doch es sollte nicht dabei bleiben, denn bereits am 12. Juni traf das nächste Findelkind bei uns ein. Dieses Mal war es ein kleines Weibchen von höchstens anderthalb Jahren, das von Forschern kurz vor dem Amboseli Nationalpark gefunden wurde. Es war offensichtlich aus Tansania herübergekommen. Das Baby hatte eine frische Speerwunde zwischen Kinn und Hals, und es ist nur zu wahrscheinlich, dass ihre Mutter in Tansania getötet worden war. Dort ufert die Wilderei in letzter Zeit immer mehr aus, erst kürzlich hat man aus Tansania kommende illegale Elfenbeinladungen auf dem Weg in den Fernen Osten abgefangen. Die Forscher aus dem Amboseli-Team schlugen den Namen „Naimina“ vor, was in der Sprache der Maa verloren bedeutet. Von ihrer Speerverletzung einmal abgesehen, ging es ihr den Umständen entsprechend gut. Allerdings war sie sehr dünn, und auch ihre Wangenknochen standen weit hervor. Mit ihrer Ankunft stieg die Zahl unserer Schützlinge auf sagenhafte 20 Waisen – schon wieder ein neuer Rekord! Schon wieder mussten die Schlafplätze umsortiert werden, also schon wieder eine unruhige Nacht in der Nursery. Der Stall von Chaimu und Kilaguni wurde abgeteilt, denn Chaimu stieß ständig an Laikipias Schwanzstummel, der immer noch heilen musste. Jetzt wurden auch die provisorischen Stallneubauten knapp und ein Ende der Neuzugänge ist noch nicht abzusehen, denn noch immer wartet man in Nordkenia und Tsavo auf Regen, so dass die Dürre wohl noch mindestens bis Oktober/ November anhalten wird – dann ist schon die nächste Regenzeit fällig.

Dida soil bathing

In den folgenden Tagen wurden drei weitere Jährlinge in die Nursery gebracht, eines von der Mugi Ranch, das innerhalb weniger Stunden starb, nachdem es schon bei seiner Ankunft extrem still war – immer ein schlechtes Zeichen für ein Kälbchen dieses Alters. In seinem Stuhl wimmelte es buchstäblich an Parasiten, und obwohl das Kälbchen in gar keinem schlechten körperlichen Zustand war, so kann ein hochgradiger Parasitenfall in Verbindung mit Milchmangel durchaus die Todesursache gewesen sein. Die Ergebnisse der Autopsie (die auf Anordnung des KWS an der tiermedizinischen Fakultät der Kabete Universität in Nairobi durchgeführt wurde) lagen uns bis zum Ende des Monats allerdings noch nicht vor. Das zweite Baby wurde am 25. Juni von unserem Schlingfallen-Team in Chyulu gefunden und starb noch vor der Landung des Flugzeugs in Nairobi. Das dritte Findelkind, dieses Mal aus Ziwani im Tsavo West-Nationalpark, entkam am 26. nur knapp einer Gruppe Stammesangehörige, die es töten und essen wollten. Nur durch das Einschreiten einiger elefantenfreundlicher Menschenseelen konnte es gerettet werden, starb allerdings wenig später in den frühen Morgenstunden des 28. Juni an Erschöpfung und Auszehrung, wie auch die anderen beiden vor ihm.

Hier ist aber noch lange nicht Schluss, denn kurz nach dem Tod des Kälbchens aus Ziwani, gab es noch am gleichen Tag Alarm in Tsavo Ost. Ein einjähriges Weibchen war mutterseelenallein in der Nähe der Mombasa Pipeline gegenüber von Ndara entdeckt worden. Weil es in der Gegend Löwen gibt und keine wilde Elefantenherde in der Nähe war, wurde das Baby eingefangen und über Nacht in den Voi-Stallungen untergebracht. Am nächsten Tag flog man sie nach Nairobi, wo sie in der Nacht zusammenbrach. Ihr wässriger Stuhl deutete auf eine Rota-Virus-Infektion hin und ihr wurde sofort eine Infusion gelegt. Außerdem erhielt sie ein Breitbandantibiotikum und schon nach 8 Stunden schien sie sich zu erholen und begann zu fressen. Wir hoffen sehr, dass es dieses Baby schafft. Sie wurde inzwischen „Melia“ genannt, nach den afrikanischen Mahagoni-Bäumen (Melia volkensi), die in der Gegend, in der sie gefunden wurde, weit verbreitet sind.

Schon am nächsten Tag, dem 29. Juni, erfuhren wir, dass das Baby einer Elefantenmutter, die in den Swimmingpool einer Lodge gefallen war (dabei hatte sie sich eine ihrer laktierenden Zitzen verletzt), immer schwächer wurde und Hilfe brauchte. Die noch verbleibende Brust hatte aufgehört, Milch zu geben, nachdem die Kuh wiederholt durch unsere tiermedizinische Einheit betäubt werden musste, um die schlimmen Wunden zu versorgen. Traurigerweise starb das Kälbchen noch in der Nacht des Notrufs, der viel zu spät kam – aber es ist einfach eine unglaublich schwierige Entscheidung, solange die Mutter noch lebt.

Kudup and Nchan

Acht Findelkinder in nur einem Monat belegen die Tragödie, die die Elefanten im Land gerade durchmachen. Es gibt dutzende Berichte von anderen Elefantenbabies, die bereits tot in den Reservaten im Norden und auch in Tsavo gefunden wurden. Das ist der endgültige Beweis (falls der überhaupt noch nötig ist) dafür, in welcher Notlage sich die kenianischen Elefanten befinden – noch forciert durch die Nutzviehherden, die auf die Weideflächen der Elefanten getrieben werden und dort fast alles abgegrast haben. Dabei ist das Futter in diesen Dürrezeiten ohnehin schon knapp. Unerlaubtes Weiden, sogar in Nationalparks, stellt eine erhebliche Belastung für alle Wildtiere im Schutzgebiet dar. Nicht nur Elefanten, sondern auch Nilpferde, Impalas, Zebras und Giraffen verhungern, vor allem in Tsavo West. Das Immunsystem der Elefanten ist durch den Stress der ständigen Verfolgung durch Wilderer ohnehin schon geschwächt (der Preis für Elfenbein liegt inzwischen bei 95 Euro pro Kilogramm). Hinzu kommt die Bedrängnis durch eine anhaltend wachsende Bevölkerung, die die einstigen Wanderrouten der Elefanten in Ackerland verwandelt. Konfrontationen zwischen Menschen und Wildtieren nehmen zu und werden durch die anhaltende Dürre (verschärft durch die Erwärmung des Klimas) noch angeheizt. Dies sind alles Punkte, die nicht mehr geleugnet werden können. Die Temperaturen im Monat Juni erreichten ein neues Rekordniveau seit Beginn der Wetteraufzeichnungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Kenias Flüsse trocknen aus, weil die Wälder mit den großen Wasserspeichern des Landes abgeholzt werden, um die Nachfrage nach Holzkohle zu befriedigen (von der Regierung stillschweigend geduldet), und die Wasserpegel der kenianischen Seen Naivasha, Nakuru und sogar der des Viktoriasees sinken rasch. Der Baringosee zum Beispiel war noch vor 100 Jahren mit kristallklarem Wasser gefüllt, an seinen Ufern tummelten sich Wildtiere und blickte man an seinen Grund, so konnte man unzählige Krokodile und Fische sehen. Heute ist er völlig ausgetrocknet. Es ist ein düsteres Szenario und ein böses Omen. Es wird Zeit, dass schnell etwas geschieht, um zumindest die letzten unbesiedelten Gebiete von Nutztieren frei zu halten, um den Wildtieren ihren Rückzugsraum zu erhalten. Davon, dass die Wilderei für Wildfleisch und Elfenbein eingedämmt werden muss, ganz zu schweigen.

Eines unserer Nursery-Babys, das uns seit seiner Ankunft am 4. April 2009 große Sorgen gemacht hatte, ist unser kleiner Isiolo. Er ist nicht gewachsen und hat auch nicht zugenommen – im Gegenteil, er wurde immer magerer und schwächer, obwohl er ganz normal fraß und sich ansonsten wohl zu fühlen schien. Nur, wenn er sich hinlegte oder aufstand, schrie er. Da er in einer Gegend gefunden wurde, wo viele Rinderherden grasten, wurde ihm ein Wurmmittel gegen den möglichen Befall mit Leberegeln oder anderen Parasiten gegeben. Das zeigte leider kaum Wirkung. Schließlich, am Morgen des 27. Juni, brach er im Wald zusammen und musste auf der Rettungsplane zurückgetragen werden. Er wurde sofort an einen Glukose-Kochsalz-Tropf gehangen, fraß wieder und schien sich am Nachmittag wieder zu erholen. In der Nacht dann ein weiterer Zusammenbruch, so dass er wieder an den Infusionsschlauch musste. Die Ursache für die Verschlechterung seines Zustandes gibt uns allen, auch den Tierärzten, ein großes Rätsel auf. Derzeit wird er noch einmal mit einem Breitbandantibiotikum behandelt und scheint zumindest ein wenig Kraft zu gewinnen.

Mawenzi & Kimana

Die Nursery-Keeper hatten viel zu tun damit, 21 Baby-Elefanten zu bändigen, die nicht enden wollende Flut von Neuankömmlingen zu versorgen und gleichzeitig mit dem Kummer über den Verlust von so vielen Waisen fertig zu werden, wie es vorher noch nie innerhalb eines Monats gegeben hatte. Nicht alle Waisen verstehen sich gleich gut mit den anderen, viele leiden immer noch unter dem Verlust ihrer Familien und verhalten sich gegenüber ihren Artgenossen manchmal recht grob. Sie brauchen einfach etwas mehr Zeit für sich alleine, um ihre Trauer zu bewältigen. Die Nursery-Herde musste nun in zwei Gruppen aufgeteilt werden. In der älteren Gruppe sind unsere beiden ältesten Babys, Leitkuh Kenia und Dida (die sich lieber aus allem heraushält) plus einige Quälgeister wie die kleinen Bullen Tassia (der Haupt-„Quälgeist“) und Taveta, der Tassia beim Schubsen und Drängeln kaum noch nachsteht. Shira ist das weibliche Pendant zu den beiden und immer noch misstrauisch gegenüber den Menschen. Kilaguni und Baarwa sind die kleinsten Jungs in der Gruppe und geben sich mit Ringkämpfen untereinander zufrieden. Baarwa hängt besonders an Kenia, was wiederum Abneigung bei den anderen erzeugt. Auch der kleine Neuankömmling aus Amboseli, Naimina, sowie Kimana, Ndii und Chaimu gehören der Gruppe an. Chaimu scheint es besonders viel Freude zumachen, Kilaguni zum Jammern zu bringen, wenn er dessen heilenden Schwanzstummel anrempelt. „Melia“, der letzte Neuzugang aus diesem Monat und die einzige Überlebende aller Findelkinder dieses Monats, wird in diese Gruppe integriert, sobald sie sich noch ein bisschen erholt hat.

Mawenzi, Sabachi, & Suguta

Die Mini-Leitkuh der Baby-Gruppe ist Suguta. Sie wird unterstützt von Nchan, die vielversprechendes Talent einer liebevollen Elefantenkuh zeigt. Sie kümmert sich besonders um die Kleinsten der Gruppe, wie Kibo, Isiolo und Olkeju. Mawenzi ist immer noch ein wenig aggressiv und Sabachi hat den nicht besonders ehrenwerten Ruf, sowohl der aufdringlichste als auch der lauteste Baby-Bulle der Gruppe zu sein. Er ist ausnahmslos derjenige, der lautstark zu schreien beginnt, wenn die nächtliche Milchmahlzeit nur ein paar Minuten zu spät gebracht wird oder die Tür seines Stalls wegen zu viel Nebel oder Kälte am Morgen nicht gleich dann geöffnet wird, wenn er es möchte! Kudup macht ihm bereits Konkurrenz und macht auch lauthals deutlich, was sie will und was ihr nicht passt!

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Juni 2009

Die Ithumba-Waisen blieben auch in diesem Monat auf drei Gruppen verteilt: Zum einen die Jüngsten oder „Juniors“, die nach wie vor von den Keepern betreut werden und nachts in die Ställe zurückkehren, wann immer sie wollen. Sie sind nur noch zu zwölft, nachdem sich Rapsu und Challa selbst in eine der beiden Gruppen mit den älteren Waisen befördert haben. Diese beiden Gruppen (auch „Ex-Waisen“ oder „Seniors“ genannt) zählen insgesamt 18 Elefanten und brauchen die Keeper inzwischen nicht mehr. Die Gruppe mit den älteren Seniors wird von Yatta angeführt, die schon immer die Leitkuh aller Ithumba-Elefanten war, und das Oberhaupt der jüngeren Gruppe Seniors ist Wendi, die gleich nach ihrer Geburt in der Nursery von Menschenhand aufgezogen wurde. Es ist jedoch offensichtlich, dass Wendis Gruppe trotzdem noch zu Yattas Gruppe gehört, und die große „Familie“ unserer Waisen in Ithumba zählt nun 30 Elefanten.

buchuma

Wendis Gruppe seilt sich regelmäßig von Yattas Gruppe ab und verbringt Zeit mit den jüngsten Elefanten der Junior-Gruppe. Sie holen die Kleinen entweder gleich früh morgens von den Ställen ab oder treffen sich später im Busch an einem offensichtlich vereinbarten Treffpunkt. Danach führen die Älteren die Jüngeren dann häufig dahin, wo sich auch Yatta mit ihrer Gruppe aufhält (meist ein wenig weiter entfernt). Auch dieser Treffpunkt scheint vereinbart, denn Wendi weiß genau, wohin sie gehen muss. Bei diesen Gelegenheiten ist es auch keine Seltenheit, dass die älteren Elefantenwaisen in Begleitung wilder Artgenossen sind, die inmitten aller unserer einstigen Findelkinder grasen. Die Keeper halten sich dann immer im Hintergrund und verfolgen lediglich die Spur ihrer Schützlinge.

Die Jüngsten saufen morgens auch häufig mit den wilden Elefanten an der Stalltränke, nachdem sie aus den Nachtlagern gelassen werden. Auch wenn sie auf dem Weg in den Busch sind oder im Schlamm suhlen, sind sie häufig mit wilden Artgenossen zusammen. Manchmal laufen die wilden Elefanten mit den älteren Waisen zurück an die Stallungen, sehen, dass die Jüngsten sicher in ihren Nachtlagern untergebracht sind und verschwinden dann wieder im Dickicht. Das eine Mal sind sie unterwegs mit Wendis Gruppe, ein anderes Mal mit Yattas oder mit beiden zusammen. Es verging in diesem Monat kaum ein Tag, den die Jüngeren nicht mit den Älteren oder den wilden Elefanten verbracht haben. Wenn die wilden Dickhäuter mit den Waisen zusammen sind, tolerieren sie auch die Keeper, die jedoch immer sicheren Abstand halten. Manchmal kommen die wilden Elefanten auch abends zum Saufen mit den Seniors an die Stalltränke und begleiten sie später wieder in die Nacht hinaus. Auch das Pendeln zwischen den älteren Waisen-Gruppen hält an, diesen Monat verbrachte Taita (eigentlich in Yattas Trupp) ihre Zeit in Wendis Gruppe.

challa, rapsu & kora

Ein wilder Jungbulle gehört mittlerweile zum festen Inventar in Yattas Gruppe. Inzwischen hat er auch einen Namen bekommen: „Mgeni“, was auf Swahili so viel heißt wie „Besucher“. Offenbar ist er in der Wildnis verwaist und wurde von Yattas Gruppe aufgenommen. Manchmal führt er die Kolonne sogar zum Schlammbad, wo man sich mit den jüngeren trifft oder begleitet sie anschließend zurück zu den Ställen. Gegenüber den Keepern ist er sehr entspannt und beim Suhlen tollt ausgelassen mit den Kleinen herum. Eine der beiden älteren Gruppen war in diesem Monat fast täglich bei den Jüngeren und sehr oft formten sie eine riesige Herde von nunmehr 31 Waisen (inklusive dem wilden Rekruten) plus einiger vorbeiziehender wilden Freunde, die kommen und gehen und mit den Älteren meist an der Stalltränke Kontakt aufnehmen.

Die Trockenzeit hat inzwischen mit aller Macht Einzug gehalten, die für den April und Mai üblichen Regenfälle blieben aus und so herrscht ein „wildes“ Treiben an der Tränke auf dem Stallgelände. Die wilden Elefanten warten morgens oft schon darauf, dass die Keeper endlich den Hahn aufdrehen, weil andere über Nacht das Bassin ausgetrunken hatten. Besucher an der Stalltränke waren in diesem Monat ein Elefant mit nur einem halben Rüssel (der Rest wurde ihm wohl irgendwann einmal von einer Schlingfalle abgetrennt); ein sehr großer Bulle mit riesigen Stoßzähnen, die bis zum Boden reichten, und noch ein dritter Bulle, der wahrscheinlich zum Tode verurteilt ist, denn er hatte eine Pfeilwunde an einem seiner Beine. Es gab einmal Zeiten in Kenia, als die so genannten „Tusker“ (Elefantenbullen mit riesigen Stoßzähnen) in Nord-Tsavo ganz alltäglich waren, besonders entlang des Tiva-Wasserlaufes. Und hatte man während eines Nachmittags auf Safari nicht mindestens drei 100-Pfünder gesehen, dann war man zu Recht enttäuscht! Diese Tage gehören dank dem Elfenbeinhandel leider der Vergangenheit an. Die wilden Herden in Nord-Tsavo hatten soeben wieder begonnen, sich zu erholen, die Bestände wuchsen seit dem Gemetzel in den 1970ern, 80ern und frühen 90ern erstmals wieder seit 30 Jahren. Nach nur sechs Jahren heimlicher nächtlicher Besuche von wilden Bullen an den Stallungen unserer Ithumba-Waisen, trauen sich nunmehr auch die Kuhherden wieder, und es ist keine Seltenheit mehr, dass sich die wilden Elefanten auch bei Tageslicht zeigen.

Am 6. Juni ereignete sich etwas ganz Außergewöhnliches: Schon bei Tagesanbruch verließen die Jüngsten ihre Ställe, traf bei „Kone“ schließlich die beiden älteren Gruppen, alle grasten gemeinsam, und später wanderte die gesamte Herde in Richtung Osten. Als sie die Straße nach Umbi kreuzten, versuchten die Keeper, sie zurückzuhalten, weil es sonst zu spät für die Milchmahlzeit und das Schlammbad würde. Die Jüngsten ignorierten ihre Keeper völlig und wanderten einfach weiter mit den Älteren, während die Keeper nichts tun konnten, außer ihnen zu folgen. Am Lesilau-Wasserloch legten sie eine kleine Mittagspause ein, doch gegen 17.30 Uhr mussten sie ohne die Elefanten den Rückweg antreten, damit sie die Stallungen noch vor Anbruch der Dunkelheit erreichten. Die Jüngsten blieben also in der Obhut der von Wendi und Yatta geführten Gruppen inklusive einiger wilder Freunde, die auf der Wanderung zu ihnen gestoßen waren.

Zurück an den Ställen warteten die Keeper angespannt auf die Rückkehr ihrer Schützlinge. Um Mitternacht waren sie immer noch nicht aufgetaucht, und die Keeper wurden immer nervöser. Schließlich, um 1 Uhr morgens hörten sie ein vertrautes Kollern und waren erleichtert als sie Makena erblickten, die die Kleinen zurückbrachte. Naserian und die anderen beiden Mini-Leitkühe liefen am Ende der Kolonne, um sicher zu gehen, dass kein Nachzügler verloren ging. Makena führt die Gruppe normalerweise immer zum Schlammbad oder dahin, wo sie ihre Milch bekommen. Dass sie die Jüngeren mitten in der Nacht sicher nach Hause gebracht hat, zeigt, wie sicher sie sich inzwischen im Busch und auch auf unbekannten Routen orientieren kann (Elefanten haben wie wir Menschen bei Nacht auch nur ein eingeschränktes Sehvermögen). Diese lange Nachtwanderung war ein guter Test auf Makenas Können, und für die Jüngsten war es die erste Wanderung so weit weg von ihren Ställen. Makena ist erst vier Jahre alt – in Menschenjahren wären dies ebenfalls vier Jahre, also das Alter eines Kleinkindes!

kina leading

Als die Sonne am nächsten Tag aufging, warteten die beiden Senior-Gruppen schon vor dem Stallgelände um die Jüngsten zu begrüßen. Die Keeper behaupten, „sie wollten nur wissen, ob die Kleinen auch sicher nach Hause gekommen seien“. Nach allem, was wir jedoch bisher über die mysteriöse Elefantenkommunikation gelernt haben, wussten sie es aber bestimmt schon längst, weil sie ihren Heimweg per Telepathie oder Infraschall verfolgt haben! Wahrscheinlich war es einfach nur eine Übung, die sich die Älteren für die Jüngeren ausgedacht haben!

Die Hauptleitkuh der Gruppe der Jüngeren ist Naserian, die sich ihre Aufgabe mit den älteren Weibchen der Junior-Herde teilt: Sian, Loijuk und manchmal auch Lualeni oder Chyulu. Makena war schon immer sehr klug und bereits während ihrer Zeit in der Nursery sehr beliebt. Nicht nur bei ihren Artgenossen, sondern auch bei all unseren Paten, die nun sehr stolz auf ihre große Leistung während der Nachtwanderung sein dürften!

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Juni 2009

Lesanju hat ihre Führungsrolle weiter ausgebaut und inzwischen die Leitung von Wasessa übernommen, die sich Lesanju untergeordnet hat, genauso wie Lempaute und Sinya. Lempaute hängt nach wie vor ganz besonders an Lesanju.

Bei den Bullen sind Siria und Mzima gute Spielgefährten, Shimba besetzt für gewöhnlich die Rolle des Zuschauers und hält sich aus den Keilereien lieber heraus! Jetzt, da die Trockenzeit endgültig angekommen ist und die Vegetation austrocknet, waren die Voi-Waisen die meiste Zeit mit der Futtersuche beschäftigt. Entweder sie fraßen an den Hängen von Mazinga Hill hinter dem Stallgelände oder sie stiegen auf seinen Gipfel, dahin, wo noch die wilden Herden noch nicht zum Grasen gekommen sind.

Die Waisen der Voi-Gruppe haben in diesem Monat nur eine einzige wilde Elefantenfamilie getroffen: zwei erwachsene Kühe mit ihren Jungen beim Schlammbad am 4. Juni. Wasessa und Lesanju haben sofort den Kontakt zu den beiden Kühen aufgenommen, rochen an ihnen und berührten sie mit ihren Rüsseln. Wasessa hat offenbar wieder die Initiative übernommen, denn Lesanju, Lempaute und Sinya sind neuerdings etwas schüchtern gegenüber ausgewachsenen wilden Elefanten. Siria verwickelte einen der beiden wilden Altersgenossen in ein kleines Kräftemessen und die anderen Waisen schauten interessiert zu. Alle zusammen, die Waisen und die Wilden, suhlten sich gemeinsam im Schlamm, bis die wilde Gruppe schließlich weiter in Richtung Flugzeuglandebahn wanderte. Die Waisen blieben und spielten noch für eine Weile, bevor sie wieder auf Futtersuche gingen.

Der Tag verläuft für die Voi-Waisen immer nach den gleichen Ritualen ab: nachdem sie ihre Nachtstallungen am Morgen verlassen, trinken sie ihre Milch und einen Schluck an der Stalltränke. Danach spielen sie ein wenig auf dem Gelände bis die Keeper fertig für den Tagesmarsch in den Busch sind, und dann grasen sie an den Hängen von Mazinga Hill. Mittags kommen sie herunter, um ihre Milch abzuholen und sich anschließend im Schlamm zu suhlen. An Tagen, an denen es sehr heiß ist, ruhen sie ein wenig im Schatten aus und fressen sich danach wieder durch bis Mazinga Hill oder zurück zu den Stallungen. Dort wartet ihre allabendliche Milchflasche und schließlich begeben sie sich in ihre Ställe, wo die Keeper ihnen genügend frisches Grün zum Kauen in der Nacht bereit gelegt haben.

Idie & her calf (3)

Unsere ehemaligen Schützlinge, angeführt von Emily und Natumi, haben wir auch diesen Monat nicht zu Gesicht bekommen. Sie alle (36 an der Zahl plus ihre Kälbchen, die bereits in der Wildnis geboren wurden) sind inzwischen völlig ausgewildert und führen ein ganz normales Elefantenleben inmitten der wilden Herden des Parks. Die Herden sind immer noch weit verstreut, doch sobald die natürlichen Wasserlöcher wieder versiegen, werden sie sich in der Nähe der ganzjährigen Wasserquellen aufhalten. Diese werden immer weniger und weite Strecken liegen im südlichen Teil des Parks dazwischen, vor allem jetzt, da auch der Aruba-Damm ausgetrocknet und versandet ist. Der Damm diente dem Park in den vergangenen 60 Jahren als kontinuierliche Wasserquelle für die Wildtiere im südlichen Park. Jetzt, da er ausgetrocknet ist, wird er sich nach den Regenfällen in eine wunderbare Sumpflandschaft verwandeln, die vor allem die großen Büffelherden aus Tsavo-Ost zum Grasen nutzen werden. Die Büffel sind diejenigen Wildtiere, die das von den Elefanten geschaffene Weideland am meisten nutzen. Die einzigen permanenten Wasserquellen sind jetzt nur noch die an den drei Windmühlen, die vom Trust installiert wurden und auch regelmäßig von uns gewartet und repariert werden. In diesem Monat versagten plötzlich die Mühlen in Aruba und Dida Harea, so dass dort schnell eingegriffen werden musste. Der Trust wurde von einem Fremdenführer auf die stillstehenden Windmühlen hingewiesen, weil die Wasserlöcher völlig leer waren. Viele der kleineren Wildtiere kennen vermutlich noch andere ganzjährige Wasserläufe und konnten hoffentlich rechtzeitig dorthin ausweichen.