Newsletter aus Kenia / die Eli-Waisen im September 2004

Die Nursery-Elefanten

Für die Nursery-Elefanten und auch für uns war es wieder ein ereignisreicher Monat. Der etwa 6 Monate alte „Buchuma“*-  kam zu uns. Er war bei der Mombasa Pipeline aus einem engen Mannloch gerettet worden. Das Kalb dort herauszuziehen, war eine schwierige Aufgabe, und es erlitt bei dieser Tortur Quetschungen und Abschürfungen. Seine erste Nacht in der Nursery war ein einziger Albtraum, denn er gebärdete sich extrem wild und versuchte verzweifelt, die Wände hoch zu klettern, wobei er auf sein sowieso schon geschwollenes Hinterteil fiel. Dadurch kam auch der arme Madiba nebenan die ganze Nacht über nicht zur Ruhe, was bei ihm schließlich Stress-Durchfall auslöste! Am nächsten Morgen jedoch, nachdem er Milch getrunken hatte, war der kleine Neuankömmling ruhig genug, um mit den anderen nach draußen gehen zu dürfen. Schon am Abend behandelte er sogar seine Keeper freundlich und benahm sich, als ob er seit Monaten bei uns gewesen wäre. Er ist ein liebevoller und freundlicher kleiner Bursche, den alle bereits ins Herz geschlossen haben.

Sunyei, als selbst ernannte Mini-Matriarchin, greift meist in Raufereien ein, die sich fast täglich zwischen Ndomot und Madiba abspielen, denn die beiden rivalisieren ständig miteinander. Bei diesen Kämpfen gewinnt Madiba gewöhnlich, was Ndomot ziemlich frustriert, so dass er seinen Unmut dann entweder an Naserian oder an Sunyei auslässt. Sunyei ist ein sehr unabhängiger und selbstgenügsamer Charakter. Eines Abends beschloss sie, dass sie auf keinen Fall in Ihrem Stall schlafen wollte. Das irritierte uns eine geraume Weile, bis wir darauf kamen, dass es an dem Geruch ihres Heu-Bettes liegen könnte – denn unsere Küchenkatze hatte dort wahrscheinlich ihren Duft hinterlassen. Wir lösten das Problem, indem wir das Heu umwendeten.

Galana* hat sich gut eingelebt und auch schon kräftig zugenommen. Sie ist nicht mehr so hohlwangig wie zu Beginn, sondern hat kleine, fette Pausbäckchen. Da sie ihre Hungerzeit nicht vergessen hat, konzentriert sie sich hauptsächlich aufs Fressen und ist den anderen gegenüber nicht übermäßig freundlich, obwohl sich langsam eine Freundschaft zwischen ihr und Naserian und Madiba entwickelt. Madiba ist ein forscher kleiner Elefant, der auch Mitgefühl und Zuneigung zeigt. Er war der erste, der den Neuankömmling Buchuma tröstete, und als seine kleine Matriarchin Sunyei von Ndomot attackiert wurde, geriet er in Zorn und kam ihr sofort zu Hilfe, um Ndomot zu verjagen!

Paviane trugen auf verschiedene Weise zur Unterhaltung der Waisen bei – sie jagten sich gegenseitig im Busch, und einmal erschreckten sie die Waisen ziemlich, weil sie einen unglücklichen kleinen Buschbock zur Strecke brachten, der ihnen über den Weg lief. Ein junges Pavian-Weibchen benahm sich derartig verrückt, dass man Tollwut bei ihr vermutete. (Sie wurde dann auch vom Senior Warden erschossen und zur Untersuchung zum Kenia Wildlife Service gebracht). Die Waisen hatten auch wieder viel Spaß dabei, Warzenschweine zu jagen, und Madiba verscheuchte die Paviane. Es gab auch Begegnungen mit verschiedenen Antilopenarten und Giraffen. Galana war entsetzt über das unerwartete Auftauchen eines winzigen Baumhörnchens!

Die Waisen in Ithumba

Die Gruppe beschäftigte sich in diesem Monat unter anderem mit dem Jagen von Dikdiks, und es gab auch wieder Begegnungen mit Pavianen. Außerdem fanden sie im Schlammbad die Spuren von zwei wilden Elefanten, die allerdings schon fort waren, als unsere Waisen dort ankamen. Yatta ist im Augenblick wieder die führende Matriarchin der Gruppe, gefolgt von Mulika. Die kleine Olmalo – das Baby der Gruppe – scheint zur Zeit ein Defizit an Zuwendung zu haben, und Yatta hat sich der Kleinen angenommen. Um Aufmerksamkeit zu erheischen, versteckt Olmalo sich oft im Gebüsch und reagiert nicht auf die Rufe der Keeper. Stattdessen wartet sie so lange, bis Yatta oder ein anderer der älteren Elefanten sie holt. Yatta muss sie auch zum Schlammbad begleiten. Kinna scheint ruhiger zu werden und übernimmt verstärkt eine führende Position. Einmal lief sie mit Yatta zusammen zurück, um nach Taita zu sehen, der weit hinter den anderen zurückgeblieben war. Manchmal zeigt sie aber auch Eifersucht, wenn sie zum Beispiel Wendi aus dem Schlammbad drängt oder Mulika in den Schwanz beißt.

Napasha dominiert wie gewöhnlich im Tagebuch und spielt in der Ithumba-Gruppe die Hauptrolle. Er fühlt sich schon ganz als Beschützer, denn inzwischen ist er mutig genug, um Paviane anzugreifen und sie auf die Bäume zu jagen. Aber er schafft es noch nicht, Warzenschweine aus dem Schlammbad zu verscheuchen, und um sein Gesicht zu wahren, teilt er es dann einfach mit ihnen! Auch Tombois Verwegenheit reicht inzwischen aus, um Paviane zu attackieren, die ihn früher so nervös machten, dass er sich hinter Wendi verstecken musste. Leider hatte sein Angriff auf die Paviane nicht den gewünschten Effekt, denn sie blieben einfach auf ihrem roten Hintern sitzen und sahen ihm zu!

Wendi mit ihrem hinterlistigen Humor spielt den anderen zu gern Streiche. Sie versteckt sich hinter Büschen und raschelt dann kräftig, um die anderen zu erschrecken. Napasha macht es ihr schon nach. Einmal zerbrach er laut knackend Äste im Dickicht, so dass die anderen in Panik zu ihren Keepern rannten. Aber was allen am meisten Angst einflößte – selbst den vier älteren Elefanten —  war ein großer Baumstamm, den Mulika entdeckt hatte und offenbar für einen Löwen hielt. Sie floh kreischend zu den Keepern, womit sie die anderen ebenfalls in Angst und Schrecken versetzte. Die Keeper mussten die Waisen zu dem Baumstamm hinführen, damit sie selbst sehen konnten, dass er ungefährlich war.-  Einmal wurden die kleineren Waisen von einem starken Windstoß erschreckt, was die vier älteren Elefanten auf den Plan rief, die dann als ’Vergeltungsmaßnahme’ umher rannten und Zweige zerbrachen!

Die Boys der Gruppe – nämlich Napasha, Taita und Tomboi – konkurrieren miteinander, indem sie bei Rangeleien ihre Kräfte messen oder ein Wettrennen zum Schlammbad veranstalten, bei dem Napasha immer der Sieger ist und die anderen in seiner Staubwolke weit hinter sich lässt! Von seiner Beinverletzung ist nichts mehr zu merken.

Wir haben jetzt den Höhepunkt der Trockenzeit erreicht, aber alle Ithumba-Elefanten gedeihen prächtig und keiner hat bisher Kondition verloren. Olmalo mag den salzigen Geschmack des Trinkwassers nicht besonders, aber allen anderen scheint es nichts auszumachen und bis jetzt gab es dadurch auch noch keine gesundheitlichen Probleme. Vor der entsetzlichen Massenvernichtung durch die Wilderei gab es im Norden von Tsavo majestätische Elefantenbullen mit den größten Stoßzähnen von ganz Afrika. Das zeigt, dass die Bullen von den Mineralien im Wasser und in der Vegetation profitieren. Eines Tages werden Napasha, Tomboi und Taita vielleicht ähnlich große Stoßzähne tragen wie die riesigen umgekommenen Bullen, aus deren Zähnen man im Westen oder im Fernen Osten irgendwelchen Tand und Kitsch geschnitzt hat.

Die Tsavo-Waisen in Voi

Emilys Gruppe ist bisher mit der Trockenzeit sehr gut zurechtgekommen. Es gab auch einige Begegnungen mit wilden Gruppen: Einmal nahm Emily ihre Lieblinge, nämlich Tsavo, Loisaba und Ndara, mit zu einem wilden Bullen. Ein paar Tage später schlossen die Waisen sich einer Gruppe von 18 wilden Elefanten an, die ein vier Monate altes Baby mit sich führten, an dem Natumi und Icholta allergrößtes Interesse zeigten. Ein anderes Mal ging Emily mit fünf wilden Elefanten, die ein zwei Monate altes Kalb dabei hatten. Sie wurde dann aber weggedrängt, als sie das Kleine berühren wollte. Als die Waisen sich einmal einer Gruppe von sieben wilden Elefanten mit einem fünf Monate alten Kalb anschlossen, war Natumi wieder äußerst interessiert an dem Baby. Sie folgte ihm und zog ihn zu sich, was die Mutter sogar erlaubte, da sie Natumi offensichtlich keine Entführung zutraute! Emily spielte mit einem 12 Jahre alten Bullen und ging sehr freundschaftlich mit ihm um. Als er sie jedoch besteigen wollte, kam Aitong dazu und machte seinen amourösen Absichten ein Ende.

Von den „Big Boys’ gab es in diesem Monat kein Lebenszeichen, aber Lissa und ihre zwei Babys besuchten in Begleitung von Uaso und Mpenzi am 29. die Stockades und bereiteten den von ihrem Tagesausflug zurückkehrenden Waisen einen herzlichen Empfang. Natumi freute sich besonders über diesen seltenen Besuch und blieb bis zum Dunkelwerden draußen bei ihnen.

Die Ankunft eines neuen Waisenelefanten, den man in sehr schwachem und ausgezehrten Zustand auf dem Gebiet der Taita Ranch gefunden hatte und der den Namen „Sagalla“ erhielt, war für die Waisen ein aufregendes Ereignis. Aitong, Icholta und Nyiro drängten sich zur Begrüßung heran, aber als das Baby Angst bekam, schob Aitong die anderen beiseite und nahm das Kleine zwischen ihre Vorderbeine, wie seine Mutter es getan hätte. Zu Aitongs großer Enttäuschung wurde der Neuankömmling jedoch für die nächsten zwei Tage bei Mweiga mit einquartiert. Nachdem Sagalla beobachtet hatte, wie Mweiga ihre Milchflasche bekam, nahm sie die Hand eines Keepers und bettelte um ihren Anteil. Von da an trank sie ausgiebig ihre Milch und jagte sogar hinter jedem Keeper her, der irgendetwas in der Hand hielt, denn es hätte ja eine Milchflasche sein können. Die Keeper amüsierten sich sehr darüber. Nach zwei Tagen war sie zahm genug, um mit Mweiga hinausgehen zu können, aber sie war zu schwach, um sich weiter von den Stockades zu entfernen. Tragischerweise und für uns unerwartet starb sie aber dann am 5. Oktober. Ursache war vermutlich die gefürchtete Lungenentzündung, die für verwaiste Elefantenbabys mit geschwächtem Immunsystem immer die größte Bedrohung darstellt.

Wie gewöhnlich zeigten uns die Elefanten auch in diesem Monat wieder viele Beispiele ihrer Intelligenz: Emily brach von hohen Akazienbäumen grüne Zweige für die kleineren Waisen, und Morani, dem das Schlammbad zu kalt zum Baden war, schaufelte sich mit dem Fuß seine eigene kleine Pfütze und füllte sie mit Wasser aus den Trinkeimern. Um sicher einen ziemlich steilen Abhang am Mazinga Hill hinunter zu kommen, kniete Mweya auf ihren Hinterbeinen und benutzte sie als Bremse. Sie demonstrierten auch wieder ihre Fürsorge und ihr Mitgefühl im Falle des kleinen Neuankömmlings Sagalla. Als Natumi und Salama sich einmal beim Jagen einer Impala-Antilope zu weit von der Gruppe weggewagt hatten, brachte Emily die beiden sicher zurück. Und Aitong half der kleinen Mweiga wieder auf die Beine, als diese von Irima beim Sturm auf die Mittags-Milchflaschen versehentlich umgeschubst worden war.

Morani erfreut sich nach wie vor bei den anderen großer Beliebtheit, aber als Ilingwezi sich ihm freundschaftlich näherte, bespritzte er sie boshaft mit kaltem Wasser aus dem Schlammbad. Einmal nahm Mweya ihn mit zu einem Ameisenhügel und rannte immer im Kreis darum herum. Morani fand dieses Spiel so interessant, dass er mit ihr um die Wette lief. Dann versuchte sie ihm beizubringen, wie man seinen Rüssel wie einen Gummischlauch im Kreis herumschleudert, aber das klappte bei ihm noch nicht so gut!

Es gab natürlich auch wieder über Begegnungen mit anderen Tierarten zu berichten: Einmal beobachteten alle Waisen ehrfürchtig eine riesige Herde von 2000 Büffeln, die langsam grasend über die Ebene zogen. Es wurden auch wieder die üblichen Jagden auf Dikdiks und Büffel veranstaltet. Als Natumi und Salama mit großem Spaß eine Impala-Antilope verfolgten, mussten sie von Emily zurückgeholt werden – dabei schritten sie „majestätisch“ und schwangen ihre Rüssel hin und her, was in ihrer Körpersprache Freude und Glück bedeutet. Zwei Löwen, die in der Nähe des Schlammbads Rast machten, verursachten eine ziemliche Verwirrung, ebenso eine Hyäne, die sich hinter einem Busch versteckte, von dem Solango, Mpala und Thoma gerade fressen wollten. Sie erstarrten vor Angst und kreischten, und Mpala zitterte noch den ganzen Tag und klebte förmlich an den Keepern!