Die Waisen im Dezember

Monatsbericht für die Nursery-Gruppe in Nairobi: Dezember 2021

Der Dezember begann fröhlich. Über die vergangenen Wochen und Monate haben wir viele Elefantenwaisen nach Nairobi gebracht, und dadurch war stets eine gute Stimmung, weil es immer wieder neue Bekanntschaften zu schließen gab. Die alteingesessenen Waisen freuen sich jedes Mal, Neuzugänge willkommen zu heißen und ihnen bei der Eingewöhnung zur Seite zu stehen. Selbst wenn die kleinen Neulinge oft noch schwach und traumatisiert sind, ist es gut für sie zu wissen, dass ihnen Artgenossen mit ähnlichem Schicksal zur Seite stehen. Naleku ist da besonders gewissenhaft. Jeden Tag, noch bevor sie sich auf den Weg in den Busch macht, schaut sie bei jedem einzelnen Neuzugang im Stall vorbei.

Larro, Mukkoka und Naboishu sind inzwischen drei und vier Jahre alt und damit alt genug, um ihre Reise zurück in die Wildnis fortzusetzen. Demnächst werden sie in unsere Auswilderungsstation nach Ithumba im Nationalpark Tsavo-Ost umziehen. Um sie auf den Transport vorzubereiten, haben wir damit begonnen, sie an den Lkw zu gewöhnen, der sie nach Ithumba bringen wird. Die erste Trainingseinheit fand während der Milchfütterung am Vormittag statt. Als die Waisen ihre Milch im Rahmen der öffentlichen Besucherstunde bekamen, wurden die drei Großen von den Keepern mit ihren Milchflaschen zum Lkw gelockt, der hinter den Ställen an einer Zementrampe parkt. Larro und Mukkoka gingen schnurstracks an Bord, aber Naboishu hatte Angst und flüchtete erst einmal in den nahen Busch. Aber nach mehreren Versuchen gehen die drei Waisen jetzt schnurstracks an Bord und scheinen sich dabei ganz wohl zu fühlen – ihrer Reise steht daher nichts mehr im Wege.

Während wir uns darauf vorbereiten, uns von diesen Drei bald verabschieden zu müssen, wissen wir, dass die Nursery-Herde weiterhin fähig betreut werden wird. Naleku ist ein außergewöhnliches Kindermädchen, das sich immer um die Jüngeren und die Neuzugänge kümmert. Besonders vernarrt ist sie in ihren kleinen Engel Kerrio. An Tagen, an denen es morgens sehr kalt ist, bleiben die Kleinsten immer im Stall, bis sich die Umgebung etwas aufgewärmt hat. Naleku findet diese Vormittage furchtbar, und die Keeper sehen sie dann immer vor Kerrios Stall herumlungern, bis diese endlich herauskommt.

Kindani ist ebenfalls sehr verantwortungsbewusst.. Sie passt immer auf ihre besten Freunde Kinyei und Bondeni auf, aber hat sich jetzt auch einigen der Neuankömmlinge, besonders Latika und Kamili, angenommen. So wie Naleku schaut auch Kindani ständig nach den Neuzugängen, die noch nicht aus ihren Ställen dürfen. Interessanterweise kann sie manchmal auch grob werden, aber eigentlich nur, wenn es jemand auf ihre kleine Mini-Herde abgesehen hat. Auch Suguroi ist ein interessanter Charakter-Mix aus fürsorglich und schikanierend. Besonders nahe fühlt sie sich Barnoti verbunden, vielleicht auch wegen ihrer gemeinsamen Liebe für Milch. Die beiden Waisen haben sich im Handumdrehen alle Fütterungszeiten und -plätze eingeprägt, und Suguroi versucht ihre Flasche immer zuerst zu bekommen. Da Barnoti älter ist, kommt er zur Vormittagsfütterung an der Suhle aber erst mit der zweiten Gruppe. Barnoti ist auch dick mit Rama befreundet, einem anderen gutmütigen Jungbullen, und die beiden rennen oft Seite an Seite zur Suhle, um ihre Flaschen abzuholen.

Wir kennen es schon seit langem, dass Waisen, die zur gleichen Zeit in der Nursery ankommen, oft dicke Freunde werden. Deswegen sind auch Latika und Kamili unzertrennlich, und gegen Ende des Monats gesellte sich noch Mukutan zu der kleinen Gruppe. Die Mädchen haben sofort Gefallen an dem kleinen Bullen gefunden, schauten regelmäßig nach ihm, als er noch im Stall war, und seit er zur Herde durfte, waren sie unzertrennlich. Kamili scheint gerne ein paar Betreuungsaufgaben übernehmen zu wollen. Aber damit hat sie sich diesen Monat ein bisschen übernommen. Sie hat versucht, eine kleine Gruppe zum Grasen in den Busch zu führen, hat dann die Orientierung verloren und führte sie stattdessen zur Suhle. Dann war sie so verunsichert, dass sie ihre kleine Gruppe anschließend sicherheitshalber lieber zurück ins Stallgelände brachte. Die Keeper freuten sich über ihr Selbstbewusstsein, aber für eine Mini-Leitkuh ist sie eindeutig noch zu klein!

Ziwadi ist und bleibt die liebe Tante der Nursery. Obwohl sie nicht so aufmerksam und beschützerisch ist wie die anderen Kindermädchen, zieht es die Waisen immer in ihre friedliche Nähe. Sie hat außerdem ein besonderes Gespür dafür, die besten Leckerbissen im Wald zu finden. Kerrio, Latika, Mukutan, Taabu, Kamili und Choka sind oft und gerne in ihrer Nähe. Sie hatte glücklicherweise schon lange keinen epileptischen Anfall mehr und scheint sehr gesund. Aber die Keeper achten natürlich nach wie vor besonders auf sie. Sie ist zwar Herz und Seele der Herde, aber dann und wann bekommt auch Ziwadi einen Rappel und verschwindet einfach. Eines Nachmittags schlich sie sich mit Barnoti und Choka davon, und als die Keeper gerade mit der Suche begannen, kam Klein-Choka aus dem Gebüsch. Ziwadi und Barnoti standen derweil in den Büschen und fraßen friedlich.

Unserem friedlichen Jungbullen Rama geht es sehr gut. Ziwadi ist und bleibt seine beste Freundin, aber er hat sich mittlerweile auch mit ein paar jungen Bullen in der Herde angefreundet. Einmal konnten wir diesen Monat seine schelmische Ader erleben. Eines Abends klaute er immer wieder das Grünfutter aus dem Stall seiner Nachbarin Olorien. Jedes Mal, wenn Olorien ihre Zweige auseinander hatte, zog er einen unter der Stallabsperrung hindurch. Die Keeper ermahnten ihn, damit aufzuhören, aber Rama machte unbehelligt weiter… bis er schließlich müde wurde und einschlief!

Taabu liebt den Spaß und ist sehr neugierig. An einem besonders heißen Nachmittag machten sich einige unserer ortsansässigen Warzenschweine auf den Weg zur Suhle. Taabu und Kinyei behielten die Suhle im Blick, und Taabu brachte sich in Stellung, hielt seinen Kopf hoch, stellte die Ohren auf und jagte die Warzenschweine mit einem Kollern auf und davon. Er verließ seinen Wachposten erst, als der Rest der Herde zurück in den Wald zog.

Aber niemand liebt so viel Spaß wie Bondeni. Er ist der unangefochtene Mittelpunkt bei der Milchfütterung und an der Suhle. Vor den Besuchern gibt er immer an, flitzt herum und versucht, so viel Chaos wie möglich verbreiten. Seine Streiche halten auch den Rest des Tages an, und es ist ein Vollzeitjob, auf ihn aufzupassen! Sein bester Freund ist Esoit, der ähnlich verspielt ist. Die beiden jungen Bullen ziehen oft gemeinsam in den Busch, jagen unsichtbare Gegner und machen einen Riesenkrach.

Das Jahr 2021 war ein wichtiges Jahr für Roho. Seit seiner Rettung vor drei Jahren hat er sich prächtig entwickelt, sowohl körperlich als auch geistig. Nur ab und zu schimmert noch die kleine Nervensäge durch. Er besteigt seine Gegner beim Spielen gerne, aber jetzt, da er viel größer ist, muss er sich das abgewöhnen. Die Keeper gehen in der Regel dazwischen, bevor er zu grob wird. Naleku verbindet seit jeher eine Geschwister-Hassliebe mit Roho. Sie duldet seine Mätzchen nicht und wehrt sich, wenn es ihr zu grob wird.

Wir hatten diesen Monat einige aufregende Debüts. Am 7. Dezember durfte Oldepe zum ersten Mal zur Nursery-Herde. Er hat sich sogleich angewöhnt, besonders abends mit den Keepern Verstecken zu spielen. Einmal, während einem der ersten seiner Versuche, sahen die Keeper, wie er still hinter dem Busch stand und dachte, er wäre unsichtbar. Die Keeper gingen also einfach zurück ins Stallgelände, und Oldepe kam nach wenigen Minuten nach.

Ende November hatten wir Sagateisa nach Nairobi gebracht. Wie Oldepe hat sie ihre Familie wegen der Dürre verloren, und es dauerte ein paar Wochen, bis sie wieder bei Kräften war. Am 10. Dezember durfte sie zum ersten Mal zur Nursery-Herde. Die Keeper hatten ein kleines Begrüßungskomitee versammelt, das sie bei ihrem ersten Spaziergang in den Busch begleiten sollte: Ziwadi, Kinyei, Olorien, Naleku, Kindani und Taabu.

Vier Tage später hatte Ltingai seinen ersten Tag mit der Nursery-Herde im Wald. Roho, Larro, Kinyei und Kindani begrüßten ihn mit freudigem Kollern und erhobenen Rüsseln. Ltingai schien völlig unbesorgt, folgte seinen neuen Freunden zur Suhle und nahm seine Milchflasche entgegen, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Zum Monatsende hin war er in Rama vernarrt und folgte ihm wie ein kleiner Schatten. Die Keeper sind immer verzückt, wenn sich solche Freundschaften entwickeln.

Unser Nashorn: Maxwell hat den regnerischen, kühlen Dezember in vollen Zügen genossen. Er mag blind sein, aber ihm entgeht nichts. Eines Nachmittags bahnte sich eine Schildkröte den Weg in sein Gehege und machte es sich im hohen Gras gemütlich. Obwohl von dem Besucher überhaupt keine Gefahr ausging, war Maxwell nicht sehr gastfreundlich. Er rannte durch sein Gehege und trat mit seinen Hinterbeinen gegen die Stallwand. Die Schildkröte schien zu verstehen, dass sie nicht willkommen war, und machte sich langsam davon. Nashörner halten nicht hinter dem Berg mit ihren Gefühlen!

 

Monatsbericht für die Voi-Gruppe: Dezember 2021

Der Dezember begann mit einem Überraschungsbesuch unseres Ex-Waisenbullen Laikipia. Kurz nachdem die Waisen das Stallgelände verlassen hatten, tauchte der majestätische 22-jährige Bulle auf, um an der Tränke zu saufen. Danach folgte er der Waisen-Herde und blieb eine Weile dort, bevor er weiterzog.

Die Waisen stürmen jeden Morgen mit wahrer Lebenslust aus ihren Nachtlagern! Pika Pika und Emoli raufen sich erst mal  und starten dann ein Wettrennen darum, wer zuerst bei der Milchflasche ist. Da sich die Trockenzeit weit in den Dezember hineinzog, war es immer noch schwer, Futter zu finden. Daher fütterten wir bei den Waisen immer noch Luzerne-Gras und -Pellets zu. Diese nahrhaften Leckereien sind  in der Trockenzeit wie ein Silberstreif am Horizont. Einmal waren Löwen in der Nachbarschaft, und die Keeper führten die Waisen schon nachmittags ins Stallgelände zurück. Mashariki flatterte mit den Ohren vor Aufregung darüber, dass es an diesem Tag zwei Mal Luzerne geben sollte!

Der Monatsanfang war trotzdem sehr entspannt. Die Futtersuche wurde nur für ausgedehnte Staubduschen und Spiele unterbrochen. Energiebündel wie Ngilai konnten auch unter schwereren Bedingungen kaum vom Spielen abgehalten werden. Einmal forderte er Tagwa zu einem kleinen Ringkampf heraus. Tagwa versuchte sich wegzustehlen, aber Ngilai schnappte sich mit dem Rüssel ihren Schwanz. An einem anderen Tag versuchten Ngilai und sein bester Freund Emoli, parallel zu fressen und zu ringen – was für ein lustiger Anblick!

Diesen Monat haben die Waisen mehrere spontane Nickerchen im Busch gehalten. Sagala und Mbegu schienen ein bisschen besorgt, wenn sich Tamiyoi und Tagwa dazu sogar hinlegten. Sie kamen herüber und tätschelten sie mit ihren Rüsseln. Als sie sich vergewissert hatten, dass alles in Ordnung war, ließen sie sie in Ruhe schlafen. Eines Nachmittags genoss Ndoria ihre Staubdusche und verlor darüber fast den Anschluss, als der Rest der Herde zur Milchfütterung weiterzog. Ndotto wartete jedoch auf sie – eine sehr anständige Geste!

Ex-Waise Bada kam vor einigen Wochen auf einen Abstecher vorbei und sah ziemlich dünn aus. Aber ein paar Tage im alten Zuhause, und er hatte wieder mehr auf den Rippen. Badas guter Freund Mudanda schaute in dieser Zeit ständig nach ihm.

Der ersehnte Regen setzte am 10. Dezember endlich ein. Die Waisen konnten vor Freude kaum an sich halten. Sie rannten wie verrückt durch die Tropfen und spielten Versteck – was für eine ausgelassene Stimmung! Schon bald ergrünte Voi wieder, und sie waren alle beschäftigt, so viel Futter wie möglich in sich hineinzustopfen. Bei all dem frischen Grün vergaßen die Waisen manchmal sogar fast ihre Milchflasche. Aber Tamiyoi, Sagala und Emoli besannen sich schließlich, und der Rest der Herde folgte ihnen. Murit war bei der Fütterung jedoch so vollgefressen, dass er seine Flasche nach nur einem Schluck fallen ließ.

Pika Pika ist und bleibt der Liebling der Voi-Herde und hat jede Menge Anstandsdamen mit Adleraugen, die rund um die Uhr auf sie aufpassen. Einmal versuchte Pika Pika, Ngilai auf einen kleinen Ringkampf herauszufordern. Er wusste, dass er sanft mit ihr umgehen musste, weil sie so viel kleiner war. Aber Ngilais bester Freund Emoli wurde eifersüchtig und schubste Pika Pika ins Wasserloch. Er hatte Glück, dass Ndii und die anderen Kühe in diesem Moment ausnahmsweise einmal nicht aufgepasst hatten!

Murit und Mbegu retteten den Tag, indem Murit Emoli ablenkte und Mbegu Pika Pika von den groben Jungbullen wegführte. Aber Pika Pika kümmert sich auch um ihre Freunde. Eines Morgens beobachtete sie Ndotto und Arruba bei einem Ringkampf, der ihr wie ein wirklicher Streit vorkam. Pika Pika hängt sehr an Arruba, die eine Art große Schwester für sie ist. Sie streckte ihren Rüssel in Richtung Ndotto aus, so als ob sie ihn bitten würde, ihre „große Schwester“ doch bitte in Ruhe zu lassen. Arruba versicherte Pika Pika, dass alles nur ein Spiel sei. Ndotto schien Pika Pika dies bestätigen zu wollen und tätschelte Arruba liebevoll mit seinem Rüssel im Gesicht.

Wie  in allen Familien gibt es auch in unserer Voi-Herde gelegentlich einmal Krach, aber im Großen und Ganzen ist es friedlich. Arruba ist eine der liebsten Elefantenkühe. Elefanten können sehr gierig sein, aber sie ist immer bereit, mit anderen zu teilen. Eines Nachmittags war sie damit beschäftigt, mit ihrem Rüssel und ihren Füßen eine hartnäckige Wurzel auszugraben, die sie fressen wollte. Als sie sie ausgebuddelt hatte, teilte sie ihre Beute mit Embu. An einem anderen Tag, als die Regenzeit schon begonnen hatte, suhlte sie sich zufrieden in einer kleinen Pfütze. Panda wollte auch mitmachen, aber in der Pfütze war nur Platz für einen Elefanten – Arruba rollte sich heraus und übergab die Pfütze ihrer Freundin Panda.

Wir hatten ein wunderschönes, friedliches Weihnachten. Mbegu machte Emoli sogar ein Geschenk, indem sie ihn an eine ruhige Stelle führte, wo beide ungestört Luzerne fressen konnten. Wir begriffen irgendwann, dass Mbegu Emoli absichtlich von Ngilai fernhielt, weil der den jüngeren Bullen immer vom Fressen abhielt, um mit ihm zu ringen. Mbegu wollte einfach, dass Emoli ohne Unterbrechung frühstücken konnte. Am 25.Dezember gegen 16 Uhr öffnete sich der Himmel,  und die Waisen konnten ausgelassen im Regen spielen. Silvester war genau so schön wie Weihnachten. Am Morgen versammelten sie sich zunächst zum Frühstück. Emoli verhielt sich wie ein kleines Baby und wollte die Pellets aus Mbegus Mund haben, anstatt sich selbst welche vom Boden zu nehmen. Gegen Mittags war es sehr bewölkt, und nur Pika Pika und Arruba trauten sich in die Suhle. Der Rest des Nachmittags verlief vollkommen ruhig, und als die Sonne am Horizont versank, kehrte unsere Voi-Herde ins Stallgelände zurück und begann das Neue Jahr.

 

Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: Dezember 2021

Der Dezember begann ruhig und friedlich. Denn: Sobald die Regenzeit beginnt, verschwinden die Ex-Waisen und die wilden Elefanten in der Regel wieder in den Weiten Tsavos. Sie wissen genau, dass der Regen ihre Heimat wieder in ein köstliches, grünes Büfett verwandelt hat. Für unsere Waisen ändert sich der Tagesablauf dann natürlich auch. Die Ithumba-Herde genoss die ruhigen Morgenstunden, ohne ihre Luzerne gegen die älteren Elefanten verteidigen zu müssen.

Nabulu freute sich besonders über das frische Grün. Sie ist im vergangenen Juni aus Nairobi nach Ithumba gekommen, und da war es bereits ziemlich trocken. Dies ist die erste Regenzeit für sie in Ithumba, und dementsprechend viel gibt es für sie zu entdecken.

Wenn die Ablenkung durch wilde Elefanten oder Ex-Waisen fehlt, erfinden die Waisen ihre eigenen kleinen Dramen. Eines Morgens gab es Krach zwischen Sapalan und Kamok, als Sapalan unachtsamerweise auf Luzerne trat, auf die es die ältere Kuh abgesehen hatte. Kamok schubste Sapalan, der laut aufschrie. Das war nicht das erste Mal, dass sie ihn ohne wirklichen Grund schubste, und er war sichtlich genervt. An einem anderen Tag hatten Kauro und Mundusi einen kleinen Ringkampf, aus dem Kauro als Sieger hervorging. Um der Häme noch eins obendrauf zu setzen, bestieg Kauro Mundusi  noch vor den Augen aller anderen. Das war zu viel für den armen Mundusi,. Er sah zu, dass er sich schnell verzog, und verbrachte den Rest des Tages mit den jüngeren Bullen.

Wir werden auch immer noch regelmäßig daran erinnert, dass Elefanten sehr schreckhaft sind. Diesen Monat rannte zweimal eine kleine Kudu-Antilope (Ammelaphus imberbis) an der Herde vorbei. Die Elefanten schienen besorgt und hielten sich für eine Weile an ihre Keeper, bis sie sich sicher waren, dass kein gefährliches Raubtier in der Nähe war. Das dritte Mal, als der Kudu vorbei rannte, waren die Waisen gerade ins Fressen vertieft. Esampu sah ihn zuerst und trompetete. Der Kudu-Bock ließ sich nicht beirren und blieb auf dem Fleck stehen, so dass Esampu, Mundusi, Rapa, Dololo, Sattao und Mteto sich gezwungen sahen, ihm zu drohen. Sie lassen immer die großen Macker heraushängen, wenn sie wissen, dass nicht wirklich Gefahr im Verzug ist…

Wilde Besucher gab es nur selten diesen Monat. Yatta und ihre Herde Ex-Waisen kamen ein paar Mal vorbei. Am 8. Dezember trafen die Waisen auf Kithaka, Barsilinga, Tusuja, Kilabasi, Yatta, Yoyo und Baby Yogi. Die kleinen Kühe, besonders Naseku, Roi und Esampu, waren vom kleinen Yogi völlig hingerissen und wollten unbedingt auf ihn aufpassen. Während Yatta in der Nähe war, hat sich die gesamte „5. Klasse“ – außer Naseku – geweigert, im Stall zu schlafen, und stattdessen die Nächte mit Yattas Herde im Busch verbracht.

Gegen Mitte des Monats regnete es noch einmal ordentlich, worüber sich alle  freuten. Die Pfützen füllten sich mit Wasser, und damit gab es jede Menge Spielemöglichkeiten für die Elefantenwaisen. Rapa und Malima soffen das Wasser, das sich in Felsspalten ansammelte. Die Waisen lieben den Geschmack von frischem Regenwasser. Zwischen all dem Regen und den Spielchen hat sich Esampu einmal ordentlich blamiert. Sie lief zwar so vorsichtig wie nur möglich, aber rutschte auf dem nassen Schlamm aus und fiel hin. Sattao und Dololo liefen direkt hinter ihr und sahen das Missgeschick aus nächster Nähe. Unsere „eiserne Lady“ schämte sich und nahm wohl an, dass die beiden Bullen über sie lachten. Sie rappelte sich auf, drehte sich um und grummelte  böse. Dololo und Sattao nahmen Reißaus und versteckten sich hinter den anderen Waisen.

Trotz Esampus Paranoia passen die Waisen in der Regel immer aufeinander auf. Mundusi zum Beispiel hat sich unbeliebt gemacht, weil er jeden anpöbelte, der ihm in den Weg kam. Aber Kauro hat Geduld und spielt immer lieb mit ihm, so als ob er wüsste, dass der jüngere Bulle nur ein Ventil für seine Kraft brauchte. Eines Tages fühlte sich Ambo niedergeschlagen, nachdem er beim Ringen gegen Mapia verloren hatte. Er suchte bei Malkia Trost, die mit ihm trainierte, damit er beim nächsten Mal besser dastand. Ambo freute sich über den Einzelunterricht und rannte aufgeregt erhobenen Hauptes und mit schwingendem Rüssel davon. An einem anderen Tag war Klein-Musiara beim Grasen abgelenkt und verlor fast den Anschluss an den Rest der Herde. Als er merkte, dass die anderen verschwunden waren, stieß er ein verzweifeltes Trompeten aus, und Malkia kam zurückgerannt, um ihn einzusammeln.

Am 19. Dezember kamen Nasalot, Nusu, Baby Noah und Makireti auf einen Kurzbesuch vorbei. Malima, Nabulu, Wanjala, Mundusi, Malkia, Mundusi und Sana Sana versammelten sich um Nasalot und ihren Nachwuchs und staunten, wie prächtig sich der kleine Noah entwickelte. Nasalot erlaubte den Waisen, ihn zu berühren,  und zog nach einer Weile mit ihrer treuen Freundin und Noahs Kindermädchen, Makireti, weiter.

Am nächsten Morgen schaute Ex-Waise Challa kurz im Stallgelände vorbei. Wanjala, Mundusi, Rapa, Dololo und Kauro haben daran gedacht, mit ihm weiterzuziehen, aber nach einiger Überlegung schienen sie sich nicht im Klaren darüber, wie weit er ziehen würde und ob oder wann er nach Ithumba zurückkommen würde. Daher entschieden sie sich, lieber zu ihren Freunden zurückzugehen, die gerade in den Busch zum Fressen zogen.

Mit all dem frischen Grün beginnen einige Waisen jetzt damit, sich selbst von der Milch abzusetzen. Mehr als einmal mussten die Keeper sie erinnern, dass es Zeit für die Milchflasche war! Galla, Ndiwa und Rapa haben einen Tag die Milchmahlzeit sogar komplett ausgelassen, weil sie mit Siangiki, Roi, Oltaiyoni, Olsekki und Naseku unterwegs waren, die schon länger von der Milch abgesetzt waren. Andere Waisen wiederum sind komplett versessen auf ihre Milchflasche. Sapalan hat eines Tages einen cleveren Plan ausgeheckt, um an Milchreste zu kommen. Während die Keeper ihre Mittagspause nahmen, schlich sich Sapalan zum Milchlaster und versuchte alles, um nicht entdeckt zu werden. Sein Vorhaben wurde von Maramoja zunichte gemacht, die dachte, die Keeper würden nun eine Extra-Portion ausgeben. Von Neid getrieben, rannte sie zu den Keepern und polterte, um auch eine Portion abzubekommen. Als die Keeper aufsprangen, um nach Maramoja zu sehen, beobachteten sie Sapalan, der wie ein Unschuldslamm mit seinem Rüssel im Lkw herumwühlte!

Der Dezember war größtenteils feucht und kalt, und die Waisen vermieden das Baden und Suhlen an den meisten Tagen. Aber gegen Monatsende riskierten sie ein Bad! Jotto war zögerlich, und Sana Sana, die seine Unentschlossenheit nicht mehr aushielt, schubste ihn von der Uferkante – und er fiel wie ein Baumstamm ins Wasser!

Jetzt, zum Jahresende, überlegen wir uns auch, wer im Stallgelände verlegt werden sollte. Einige Waisen sind jetzt in dem Alter, dass sie öfter im Busch übernachten möchten, so zum Beispiel Barsilinga, Tusuja und Galla. Aus diesem Grund haben wir jetzt Kamok, Kauro und Enkikwe in die „5. Klasse“ versetzt, während Mteto, Karisa und Mundusi in Klasse 4 kamen. Jotto, der abends oft Sattao und Dololo schikaniert, kam ebenfalls in die nächste Klasse, denn dort wird er schnell zurechtgewiesen werden.

Am Morgen des 25.Dezember weckte uns eine besondere Überraschung – die Regenzeit begann! Das war wirklich ein Grund zum Feiern, denn seit vielen Jahren war Weihnachten zwar grün, aber trocken. Wir bekamen aber noch andere Geschenke: Einige Tage später kam Ex-Waise Yatta mit ihrem Nachwuchs Yetu, Yoyo und Baby Yogi vorbei. Mit dabei waren auch Kinna und ihre Töchter Kaia und Kama, Nasalot mit ihren Jungs Nusu und Baby Noah, Naserian mit Klein Njema sowohl als Galla, Teleki, Naisula und zwei junge wilde Bullen. In diesem Moment hatten wir mehr Babys unserer Ex-Waisen als erwachsene Besucher im Stallgelände! Der Monat endete so friedlich, wie er begann. Der Gesang von Tsavos Vögeln füllte die Luft, und die Waisen schienen im Rhythmus dazu durch den Busch zu spazieren.

 

Monatsbericht für die Kibwezi-Gruppe in Umani Springs: Dezember 2021

Die vergangenen Monate waren selbst für die wilden Tiere und Pflanzen im Kibwezi-Wald in den Chyulu Hills schwierig. Die lange Dürre verursachte zuerst einen Mangel an Grünfutter. Später kamen dann noch Wildfeuer hinzu, die unser Team lange auf Trab hielten. Aber Umani-Springs ist und bleibt ein sicherer Hafen für die Wildtiere. Dementsprechend sind alle großen und kleinen Kreaturen erleichtert, dass die Regenzeit endlich begonnen hat. Schnell haben sich die Wildtiere wieder verteilt, und wir haben seltener Besuch von wilden Elefanten. Außer natürlich von unseren „Nachtschwärmern“ – die kommen immer noch regelmäßig vorbei und oft mit wilden Freunden im Schlepptau.

So wie auch in Ithumba und Voi haben die Waisen teilweise völlig ihre Milch vergessen, weil sie so mit Fressen beschäftigt waren! Eines Nachmittags riefen die Keeper nach ihnen, weil die Nachmittagsmilch bereit stand – aber sie wollten sie nicht, sondern fraßen lieber weiter frisches Grünfutter. Lima Lima und Sonje hatten die Waisen tief in den Wald geführt, während sich Murera, Mwashoti und Alamaya an den Hügeln des Umani-Berges aufhielten. In der Vergangenheit hatte Murera immer Probleme beim Aufstieg, aber mittlerweile meistert sie diesen sehr gut. Am Ende tranken die Waisen ihre Flaschen einfach ein paar Stunden später als sonst. Vollgefuttert und schläfrig zogen sich alle für eine kleine Siesta im Schatten der Bäume zurück.

Der Monat war nicht durchgängig friedlich. Ngashas Fehde mit Faraja hält an, und alle sind genervt. Nach vielen Mittlungsversuchen, haben die Leitkühe der „Nachtschwärmer“ – Lima Lima und Zongoloni – es aufgegeben, den Frieden zwischen den beiden Bullen wieder herzustellen. Stattdessen hat sich Faraja mit Ziwa zusammengetan, und die beiden verbringen die Zeit jetzt zusammen auf der Futtersuche.  Ngasha hat sogar versucht, Jasiri aus der Umani-Herde zu verdrängen, aber er hat seinen Rivalen unterschätzt. Jasiri ist sehr stark und hat sich durchgesetzt. Am Ende musste sich Ngasha gegen seinen einstigen guten Freund geschlagen geben und wurde selber von der Herde ausgestoßen. Mittlerweile hatten sich Faraja und Ziwa der Herde wieder angeschlossen. Sie wurden freudig willkommen geheißen und von den Elefanten mit vielen Rüssel-Umarmungen und lautem Trompeten begrüßt. Es gab einen lustigen Moment, als die Keeper ein Photo von Ziwa und Faraja machen wollten. Alamaya kam herüber und stupste ihnen die Kamera aus der Hand, weil er eifersüchtig war, dass die beiden alle Aufmerksamkeit bekamen!

Zongoloni ist eine hervorragende Leitkuh, aber manchmal nimmt sie sich ein bisschen zu viel vor. Sie ist hingerissen von ihrer kleinen Adoptivschwester Kiasa, die sie am liebsten in ihre kleine Herde aufnehmen möchte. Aber Kiasa ist noch viel zu jung, um die Nächte mit den „Nachtschwärmern“ im Busch zu verbringen. Die Keeper freuen sich, dass sich Kiasa so gut mit Zongoloni versteht, aber müssen Kiasa gut im Auge behalten.

Die “Nachtschwärmer” schauen morgens oft nach den Waisen und verschwinden dann für den Rest des Tages. Mwashoti hängt sehr an den Noch-Waisen und bleibt manchmal zurück. Er wartet geduldig vor dem Tor, bis die Waisen mit ihren Morgenaktivitäten fertig sind, und dann ziehen alle zusammen in den Busch. Eines Tages liefen Mwashoti und Enkesha ein paar Kronenkranichen und Schmetterlingen über den Weg. Sie waren überglücklich, versuchten, sie einzufangen und machten dabei ordentlich Krach. Sogar Murera machte mit und kompensierte ihre Probleme mit Schnelligkeit und Wendigkeit durch lautes Trompeten. In all dem Gewusel stolperte Mwashoti über einen Ast und fiel mit vollem Schwung in den Matsch. Die Vögel und Schmetterlinge waren im Nu im Himmel verschwunden.

Murera ist eine sehr entspannte Leitkuh, aber alle respektieren ihr letztes Wort. Eines Tages, als die Keeper versuchten, die Waisen für die Mittagsmilch zusammenzurufen, hatte Lima Lima sie schon auf den Berg geführt. Sonje und Alamaya hatten versucht, die Abtrünnigen zurück zur Fütterungsstelle zu bringen, aber niemand hörte auf sie. Am Ende gab Zongoloni Murera Bescheid. Die trompetete einmal laut. und die Waisen machten auf der Stelle kehrt und folgten ihr zur Milchfütterung.

Sonje hängt nach wie vor sehr an Klein Kiombo, aber das ist nicht verwunderlich. Er ist eines der jüngsten Mitglieder in der Umani-Herde, und alle Kühe wollen in seiner Nähe sein. Eines Nachmittags entschied sich Sonje für  einen Ausflug in den Busch, und Quanza nutzte die Gelegenheit und nahm Kiombo mit für ein bisschen Zeit zu zweit. Aber Sonje hatte den Plan nach ihrer Rückkehr direkt durchschaut und holte sich ihren kleinen Schützling sofort zurück.

Alle Waisen haben ein tolles Netzwerk zur Unterstützung. Nach der Mittagsmilch entschied sich Enkesha, Kiombo und Kiasa in einen freundschaftlichen Ringkampf zu verwickeln. Kiombo hat jedoch noch nicht richtig gelernt, wie man spielerisch kämpft, und schubste Enkesha ziemlich grob. Enkesha hat eine relativ niedrige Toleranzschwelle und schubste ihn so hart zurück, dass sich die beiden am Ende richtig in den Haaren hatten. Quanza musste einschreiten, und als der Frieden wieder hergestellt wurde, kam Maktao und sah nach Enkesha. Kiombo dampfte vor Wut und ging zu Zongoloni, so als ob er sich bei ihr über Quanza und Enkesha beschweren wollte. Die Keeper sahen, wie Zongoloni Kiombo eine dicke Umarmung mit dem Rüssel gab.

Unser süßer Maktao versucht, seine Ängste zu überwinden. Er hat Angst vor dem Wasser, aber nahm allen Mut zusammen und stieg hinein. Sein Mut war jedoch erstmal nur von kurzer Dauer – eine Schildkröte krabbelte auf seinen Rücken, und er rannte schreiend aus der Suhle. Wir sind uns aber sicher, dass er seine Angst irgendwann besiegt.

Während die “Nachtschwärmer” richtige Rowdys sein können, hängen sie trotzdem sehr an ihrer zwei- und vierbeinigen Familie. Eines Tages wurden Enkesha und Maktao von einem Pavian beim Fressen gestört, der über ihnen von Ast zu Ast hüpfte. Enkesha versuchte, ihn zu verjagen, aber am Ende waren es Jasiri und Ngasha, denen es gelang, ihn zu verscheuchen. Später im Monat blockierte ein Büffel den Waisen den Weg zurück zum Stallgelände. Dieses Mal haben Ziwa und Faraja den Tag gerettet. Sie kamen wie aus dem Nichts, verscheuchten den Büffel, und die Waisen konnten ihren Heimweg fortsetzen.

Es regnete den Monat über immer wieder. Nach einer sehr feuchten Nacht lief die Umani-Herde ganz vorsichtig in Richtung Kenze-Berge. Die Keeper hatten ihre Regenjacken an und Regenschirme dabei und erregten damit große Neugier bei den Waisen. Kiombo und Maktao liefen dicht neben den Keepern, um die Ausrüstung genau zu begutachten. Maktao dachte sogar, die Regenschirme seien ein schmackhafter Snack.

Die Feiertage waren sehr schön in Umani. Sie begannen am Heiligabend damit, dass sowohl Menschen als auch Elefanten ein tolles Festmahl genossen. Die jüngeren Waisen bekamen eine Extra-Flasche Milch und die Älteren eine Extra-Portion Luzerne-Pellets. Am 26. Dezember waren alle faul. Die Waisen kamen erst spät aus ihren Nachtlagern und ließen sich Zeit mit ihre Morgenroutine. Sogar Sonje, die es morgens immer sehr eilig hat, ließ alles mit der Ruhe angehen. Die Keeper sagten, es erinnere sie an die Menschen, die an Weihnachten viel und gut aßen und sich anschließend richtig entspannten.

Das Jahr endete gut. Eine wilde Elefantenherde schloß sich der Umani-Herde im Wald an. Sonje durfte die Babys kennenlernen, aber Kiombo kam ein wenig zu forsch daher. Er lief zu stürmisch auf eines der Babys daher und wollte es mit seinem Rüssel berühren, so dass das Baby erschrocken und laut trompetend zu seiner Mutter lief. Die Mutter versetzte Kiombo einen Stups mit ihrem Stoßzahn, so als ob sie ihn warnen wollte, so etwas nicht noch einmal zu wagen. Später an diesem Tag trafen die Waisen noch mehr wilde Elefanten, aber dieses Mal waren es ausschließlich Bullen. Sie schienen Murera zu kennen und begrüßten sie herzlich. Murera und Quanza stellten die Bullen dann dem Rest der Herde vor. Die beeindruckenden Bullen überragten die Waisen – sogar Jasiri, der inzwischen unser größter Jungbulle ist. Nachdem die Keeper ihren Schützlingen abends „Gute Nacht“ gesagt hatten, kamen sie alle zusammen und läuteten das Neue Jahr ein.